Eine Handvoll Worte
dass er eine gute Stunde bei ihm sitzen würde. Er wandte sich an Cheryl, als er aufstand. »Blondie, tu mir einen Gefallen. Ruf in meinem Hotel an. Sag ihnen, eine gewisse Jennifer Stirling soll mich um zwölf treffen, und bitte jemanden, ihr auszurichten, dass ich später komme, sie aber nicht gehen soll. Ich werde da sein. Sie darf nicht gehen.«
Cheryl lächelte höchst zufrieden. »Mrs Jennifer Stirling?«
»Wie gesagt, sie ist eine alte Freundin.«
Don trug das Hemd von gestern, stellte Anthony fest. Er trug immer das Hemd von gestern. Auch er schüttelte den Kopf. »Herrgott. Wieder diese Stirling? Wie groß ist dein Heißhunger auf Probleme eigentlich?«
»Sie ist nur eine Freundin.«
»Und ich bin Twiggy. Komm. Komm und erklär dem Großen Weißen Chief, warum man dich den Simba-Rebellen opfern sollte.«
Sie war noch da, stellte er erleichtert fest. Die verabredete Zeit war um mehr als eine halbe Stunde überschritten. Sie saß an einem kleinen Tisch im extravaganten Salon, dessen Stuck dem Zuckerguss auf einem reichlich verzierten Weihnachtskuchen ähnelte, und an den meisten anderen Tische saßen ältere Witwen, die sich in gedämpftem Ton entrüstet über die Schlechtigkeit der modernen Welt ausließen.
»Ich habe Tee bestellt«, sagte sie, als er ihr gegenüber Platz nahm und sich zum fünften Mal entschuldigte. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
Ihre Haare hingen offen herunter. Sie trug einen schwarzen Pullover und eine maßgeschneiderte, beigefarbene Hose. Sie war dünner. Er schob es auf die Mode.
Anthony versuchte, gleichmäßig zu atmen. Er hatte sich diesen Augenblick so oft vorgestellt, wie er sie in die Arme schloss, ihre leidenschaftliche Wiedervereinigung. Jetzt fühlte er sich angesichts ihrer Selbstbeherrschung und der steifen Umgebung etwas gehemmt.
Eine Kellnerin kam mit einem Rollwagen, von dem sie eine Teekanne, Milch, ein paar präzise geschnittene Sandwichs, Tassen, Untertassen und Teller nahm. Er merkte, dass er wahrscheinlich vier von den Sandwichs auf einmal in den Mund stecken könnte.
»Vielen Dank.«
»Du nimmst … keinen Zucker.« Sie runzelte die Stirn, als versuchte sie, sich zu erinnern.
»Nein.«
Sie tranken ihren Tee. Ein paar Mal machte er den Mund auf, um etwas zu sagen, aber nichts kam heraus. Die vertraute Form ihrer Nägel. Ihrer Handgelenke. Die Art, wie sie sich immer wieder von der Taille her aufrichtete, als würde eine Stimme aus der Ferne ihr sagen, sie solle gerade sitzen.
»Gestern war so ein Schock«, sagte sie schließlich und stellte ihre Tasse auf die Untertasse. »Ich … muss mich für mein Benehmen entschuldigen. Für dich muss das sehr eigenartig gewirkt haben.«
»Absolut verständlich. Man sieht nicht jeden Tag jemanden von den Toten auferstehen.«
Ein kleines Lächeln. »Genau.«
Ihre Blicke begegneten sich und wichen einander aus. Sie beugte sich vor und schenkte noch Tee ein. »Wo lebst du jetzt?«
»Ich war in New York.«
»Die ganze Zeit?«
»Eigentlich bestand kein Grund, zurückzukommen.«
Wieder ein lastendes Schweigen, das sie unterbrach. »Du siehst gut aus. Sehr gut.«
Sie hatte recht. Man konnte nicht mitten in Manhattan leben und ungepflegt bleiben. Er war in diesem Jahr nach England zurückgekehrt mit einer Garderobe aus guten Anzügen und einer Menge neuer Angewohnheiten: warme Rasuren, geputzte Schuhe, Abstinenz. »Du siehst wunderbar aus, Jennifer.«
»Danke. Bist du länger in England?«
»Wahrscheinlich nicht. Vielleicht gehe ich wieder ins Ausland.« Er betrachtete ihr Gesicht, um zu sehen, welche Wirkung diese Neuigkeit auf sie haben würde. Aber sie griff nur nach der Milch. »Nein«, sagte er und hob die Hand. »Danke.«
Ihre Hand hielt inne, als wäre Jennifer enttäuscht von sich, es vergessen zu haben.
»Was hat die Zeitung denn mit dir vor?« Sie legte ein Sandwich auf einen Teller, den sie vor ihn hinstellte.
»Sie hätten gern, dass ich hierbleibe, aber ich möchte wieder nach Afrika. Im Kongo ist die Lage inzwischen sehr kompliziert.«
»Ist es dort nicht sehr gefährlich?«
»Darum geht es nicht.«
»Du willst mittendrin sein.«
»Ja. Es ist eine wichtige Story. Außerdem habe ich einen Horror davor, an den Schreibtisch gefesselt zu sein. Die letzten Jahre waren …« Er versuchte, einen Ausdruck zu finden, den er gefahrlos verwenden konnte. Diese Jahre in New York haben mich geistig gesund gehalten? Mir ermöglicht, ohne dich zu existieren? Mich davor bewahrt, mich in einem fremden
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