Eine Handvoll Worte
der seine Karten aufdeckt. »Ich … kann es einfach nicht.«
Sie saßen sich gegenüber, die makellos gekleidete Frau und der angespannte Mann. Ihm kam kurz der von schwarzem Humor durchsetzte Gedanke, dass sie für Außenstehende so unglücklich wie ein Ehepaar wirkten.
»Erzähl mir«, sagte er. »Warum stehst du so treu zu ihm? Warum bist du bei jemandem geblieben, der dich ganz offensichtlich nicht glücklich machen kann?«
Sie schaute zu ihm auf. »Weil ich so untreu war, vermute ich.«
»Meinst du, er wäre dir treu?«
Einen Moment lang hielt sie seinem Blick stand und schaute dann auf ihre Armbanduhr. »Ich muss gehen.«
Er zuckte zusammen. »Tut mir leid. Ich sage nichts mehr. Ich muss nur wissen …«
»Es liegt nicht an dir. Wirklich nicht. Ich muss woandershin.«
Er fasste sich. »Natürlich. Verzeih. Immerhin habe ich mich verspätet. Tut mir leid, wenn ich deine Zeit vergeudet habe.« Er konnte nichts gegen die Wut in seiner Stimme tun. Er verfluchte seinen Redakteur, weil er ihm die kostbare halbe Stunde genommen hatte, verfluchte sich selbst für verpasste Gelegenheiten, dessen war er sich sicher – und dafür, dass er zugelassen hatte, etwas an sich herankommen zu lassen, das noch immer die Möglichkeit hatte, ihn zu verbrennen.
Sie erhob sich, um zu gehen, und ein Kellner kam und half ihr in den Mantel. Immer würde jemand da sein, der ihr half, dachte er geistesabwesend. So eine Frau war sie. Er war bewegungsunfähig, klebte am Tisch.
Hatte er sie falsch verstanden? Hatte er die Intensität ihrer kurzen gemeinsamen Zeit falsch in Erinnerung? Der Gedanke, dass es so sein könnte, machte ihn traurig. War es schlimmer, die Erinnerung an etwas Perfektes verunglimpfen und durch etwas Unerklärliches und Enttäuschendes ersetzen zu lassen?
Der Kellner hielt ihren Mantel in Schulterhöhe. Sie steckte die Arme nacheinander in die Ärmel, den Kopf gesenkt.
»Das war’s?«
»Tut mir leid, Anthony. Ich muss wirklich gehen.«
Er stand auf. »Wir werden nicht mehr über irgendetwas reden? Nach all dem? Hast du überhaupt an mich gedacht? «
Bevor er noch mehr sagen konnte, hatte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und ging hinaus.
Jennifer bespritzte ihre geröteten, geschwollenen Augen zum fünfzehnten Mal mit kaltem Wasser. Im Badezimmerspiegel sah sie eine Frau vor sich, die vom Leben geschlagen war. Eine Frau, die so weit von der verwöhnten kleinen Gattin vor fünf Jahren entfernt war, dass sie ebenso gut unterschiedliche Arten und erst recht zwei verschiedene Personen hätten sein können. Sie fuhr mit den Fingern an den dunklen Ringen unter ihren Augen entlang, den neuen Sorgenfalten auf ihrer Stirn, und fragte sich, was er gesehen hatte, als er sie anschaute.
Er wird dich zermalmen, alles auslöschen, was dich ausmacht.
Sie machte den Arzneischrank auf und betrachtete die sauber aufgereihten braunen Fläschchen. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie die doppelte Dosis Valium genommen hatte, weil sie vor dem Treffen mit ihm so große Angst gehabt hatte. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie ihn wie durch einen Nebel gehört hatte, so losgelöst war von allem, was sie machte, dass sie kaum die Teekanne halten konnte. Sie konnte ihm nicht sagen, wie seine Nähe, der Anblick jeder einzelnen Furche auf seinen Händen und der Duft seines Rasierwasser sie gelähmt hatte.
Jennifer drehte den Warmwasserhahn auf, und das Wasser schoss in den Ausguss, spritzte vom Waschbecken ab und hinterließ dunkle Flecken auf ihrer hellen Hose. Sie nahm das Valium aus dem oberen Fach und schraubte den Deckel auf.
Du bist die Starke, die ein Leben mit dieser Liebe ertragen kann, die wir niemals ausleben dürfen.
Sie hörte Mrs Cordozas Stimme unten und schloss die Badezimmertür ab. Sie legte beide Hände auf die Seiten des Waschbeckens. Kann ich das?
Sie hob die Flasche, kippte den Inhalt in den Ausguss und sah zu, wie das Wasser die kleinen Tabletten fortspülte. Sie schraubte die nächste auf und hielt kaum inne, um hineinzuschauen. Ihre »kleinen Helfer«. Alle benutzten die, hatte Yvonne unbekümmert gesagt, als Jennifer zum ersten Mal in ihrer Küche saß und gar nicht aufhören konnte zu weinen. Ärzte verschrieben sie nur allzu gern. Die würden sie ein wenig ausgeglichener machen. Ich bin dermaßen ausgeglichen, das nichts mehr übrig ist, dachte sie und griff nach der nächsten Flasche.
Dann waren alle fort, das Schrankfach leer. Sie starrte sich im Spiegel an, während die letzten Tabletten
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