Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
war eine unumstößliche Tatsache. Aber sein Widerstand war nicht ganz so erfolgreich wie sonst.
»Sehr gerne.« Julianne stand auf. Ihr Lächeln strahlte mit der Sonne um die Wette. Höflich bot er ihr den Arm, und ihre Finger legten sich auf seinen Ärmel. Diese harmlose Berührung hatte eine interessante Wirkung auf seine Atmung.
Schlimmer noch, er war sich durchaus bewusst, wie seine Mutter sie beide beobachtete, als sie den Raum verließen. Auf ihrem Gesicht lag ein ganz bestimmtes, verschleiertes Lächeln.
»Ich bin überrascht«, murmelte Julianne, während er sie durch den Korridor dorthin führte, wo die Eingangshalle sich zum Wintergarten öffnete.
»Warum?«, fragte er, obwohl er genau wusste, was sie meinte.
»Was hat dich dazu bewogen, mit uns Tee zu trinken?«
Ich wollte dich sehen.
Er sprach es nicht laut aus.
»Ich mag Tee.« Er zuckte mit den Schultern und hob den Riegel einer Glastür, ehe er beiseitetrat, damit Julianne vorging. »Warum soll ich ihn allein trinken, wenn ich mich euch anschließen kann?«
»Du hast dich uns bisher nie angeschlossen.« Sie ging an ihm vorbei. Leise raschelte ihr Seidenrock, und er nahm einen Hauch Parfüm wahr. Ihr Blick streifte sein Gesicht; sie betrachtete ihn fragend und zaghaft zugleich.
Ihr Nacken übte eine ungeahnte Faszination auf ihn aus. Er wünschte, es wäre nicht so, aber als sie durch die Tür trat, folgte er ihr ungebührlich hastig, denn er wollte seine Lippen auf diese Stelle pressen. Wollte hören, wie sie aufseufzte und unter seinem Mund erbebte. Wollte all das, was zwangsläufig folgte. Wollte sie unter sich liegen sehen und sie langsam und verführerisch lieben …
Und es dauerte noch ewig, bis es dunkel wurde. Verdammt.
Die Luft war für einen Herbsttag angenehm warm, und die Sonne begann bereits ihren unausweichlichen Abstieg. Der französisch gestaltete Garten wurde in ein rotes Leuchten getaucht. Michael schritt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Weg entlang und entschied sich spontan für einen Pfad zur Linken.
Er musste sie fragen, was es mit ihrem listenreichen Verhalten auf sich hatte, von dem er erfahren hatte. Er bezweifelte allerdings, ob das die richtige Vorgehensweise war. Aber warum gab sie vor, eine Freundin oder die Schneiderin zu besuchen?
Wohin ging sie stattdessen?
Wird sie mich anlügen? Er glaubte, sie sei zu unschuldig, um ihn zu täuschen, denn er war in seinem Leben schon auf jede erdenkliche Weise und von absolut unmoralischen Gegnern angelogen worden. Und seine Fähigkeit, Unwahrheiten aufzuspüren, war sehr gut ausgebildet. »Ich habe gehört, du bist heute auch mit deiner Mutter unterwegs gewesen? Sag, hattet ihr eine schöne Zeit?«
»Schön?« Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob man es so beschreiben kann. Lass es mich so ausdrücken: Es war ein ziemlich ereignisreicher Ausflug, doch er war notwendig.«
»Und bei der Schneiderin? Soll ich meinen Sekretär vorwarnen, dass eine immense Rechnung für zahllose neue Kleider auf ihn zukommt?« Er lächelte sie besonders liebenswürdig an, um der Frage die Schärfe zu nehmen.
In ihren Augen flackerte etwas auf.
Bedauern? Schuld?
»Nein, Mylord, das mir zugeteilte Nadelgeld ist mehr als großzügig, das versichere ich Euch.«
Er musste ihr insgeheim Anerkennung zollen, denn sie schaffte es, wahrheitsgemäß seinen Fragen auszuweichen. Er war selbst recht gut darin, allerdings nur, wenn es unbedingt nötig war. Die Frage war doch, warum es für sie notwendig war? Fitzhugh hatte ihm berichtet, Julianne sei nur kurz in dem Geschäft verschwunden, nachdem sie aus der Kutsche ihrer Mutter gestiegen war. Als sie herauskam, hatte sie sofort eine Mietdroschke herangewunken. Unglücklicherweise war es Fitzhugh aufgrund eines Unfalls, in den ein übereifriger Kutscher mit einem Heukarren verwickelt war und der die ganze Breite der Straße blockierte, nicht möglich gewesen, ihr zu folgen. In dem Getümmel hatte er die Droschke aus den Augen verloren. Als Julianne zurückkehrte, waren Stunden vergangen, und sie kam zu Fuß. Offenbar hatte sie sich vom Kutscher in der Nähe absetzen lassen.
Michael war nicht unbedingt misstrauisch. Ihn trieb vor allem die Neugier.
Nun, vielleicht war er auch ein wenig misstrauisch. Bestimmt hatten die wenigsten neunzehnjährigen Frauen kurz nach ihrer Vermählung ruchlose Geheimnisse zu verbergen. Aber sie nahm eine Menge auf sich, um zu verhindern, dass Fitzhugh sie begleitete.
Warum?
Michael dachte
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