Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
waren noch schlimmer in Mitleidenschaft gezogen, aber sie würde diese wohl kaum in der Eingangshalle des herzoglichen Anwesens ausziehen. »Diese Unordnung tut mir aufrichtig leid, Rutgers«, entschuldigte sie sich. »Es gab da einen kleinen Unfall.«
»Kein Grund zur Sorge, Mylady. Soll ich für Euch heißes Wasser hinaufschicken lassen?«
»Das wäre wunderbar.«
»Was für ein Unfall?«, fragte Michael. »Bist du verletzt?«
»Nein.«
»Julianne.«
Obwohl sie es bisher vermieden hatte, ihm in die Augen zu blicken, musste sie jetzt zu ihm aufsehen. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Er starrte jedoch das Kind an, das sich in ihre Arme kuschelte. Es war eigentlich unvorstellbar, aber Chloe war eingeschlafen.
»Können wir das vielleicht oben diskutieren?« Zu ihrer Bestürzung zitterte ihre Stimme, und völlig unerwartet brannten Tränen in ihren Augen. »Mir ist kalt, und ich bin völlig nass. Ich hatte wirklich einen schrecklichen Tag.«
O nein, sie würde nicht vor den Augen aller Anwesenden in Tränen ausbrechen! Ihrer Entschlossenheit zum Trotz rann eine Träne über ihre Wange.
»Fitzhugh, ziehen Sie sich was Trockenes an, ehe Sie sich noch den Tod holen«, hörte sie Michael entschieden sagen. »Rutgers? Wir brauchen oben ein Mädchen für das Kind. Und das heiße Wasser brauchen wir so schnell wie möglich. Bitte entschuldigen Sie uns diskret bei meiner Mutter.«
»Natürlich, Mylord.«
Julianne keuchte überrascht auf, als sie plötzlich mit dem schlafenden Kind in ihren Armen hochgehoben wurde. Starke Arme hielten sie fest, und die Schuhe knallten auf den Marmorboden, als Michael sie den Korridor entlang trug.
»Du ruinierst deine Sachen«, protestierte sie, aber wenn sie ehrlich war, genoss sie seine Wärme und Kraft. Er roch wunderbar. Sie vermutete, das traf auf sie nicht zu, weil sich in ihren Röcken feuchter Unrat verfangen hatte.
»Das scheint in letzter Zeit häufiger zu passieren«, murmelte er.
Was hat das zu bedeuten?
» Im Übrigen«, fuhr er fort, »scheint es mir durchaus angebracht. Ich muss zugeben, dass ich ziemlich neugierig bin, die ganze Geschichte zu hören, die dazu führte, dass du durchnässt bis auf die Haut nach Hause kommst und ein Kind aus der Gosse mitbringst.«
»Sie ist kein Kind aus der Gosse«, verteidigte Julianne sich. Obwohl sie durchaus verstand, wie er zu diesem Schluss kam, wenn man sich Chloes abgerissene Sachen anschaute.
»Nicht?« Er stieg die Treppe hinauf und trug dabei Julianne und das Kind ohne große Anstrengung. »Wer ist sie dann?«
Das war eine Frage, die nicht so leicht zu beantworten war. Schließlich sagte Julianne: »Sie gehört zu uns.«
Michael schenkte sich noch ein Glas Claret ein und beobachtete, wie seine hübsche Frau an dem pikanten Hühnchen herumstocherte, das mit einer Reduktion aus Honig und Port glasiert war. Sie waren in ihrem Schlafgemach, und Juliannes Zofe hatte ihnen auf einem kleinen Tisch, den man hereingebracht hatte, diskret das Essen serviert. In einem hellblauen Hausmantel aus Satin, der ihren schlanken Körper umschmiegte, saß seine Frau recht still da. Allerdings hatte er auch irgendwann ihren wirren Redefluss unterbrochen, indem er sie bat, zuerst etwas zu essen und zu überlegen, was sie ihm sagen wollte.
Ein strategischer Aufschub. Ob das so gut war? Er wusste es nicht. Es war eine unumstößliche Tatsache, dass er so oft mit Menschen Umgang pflegte, die es gewohnt waren, etwas zu verbergen. Es war völlig anders, mit seiner Frau etwas zu verhandeln als mit seinen üblichen Gegenspielern.
Aber er war es gewohnt, jemanden zu befragen. Und darin war er außergewöhnlich gut. Es stand für ihn außer Frage, dass er gerade von jemandem wie Julianne die ganze Wahrheit erfahren würde.
Eine lange Wartezeit war eine besonders effektive Methode, um den Verdächtigen so nervös zu machen, bis er ihm all seine Geheimnisse enthüllte. Und das hieß in diesem Fall: alles über das Kind.
Es war nicht ihr Kind. Seine erste Reaktion war der qualvolle Gedanke, sie könnte vielleicht, aber nur unter gewissen Umständen, nicht die bebende Jungfrau gewesen sein, der er in seiner Hochzeitsnacht begegnet war. Sie hatte ihr Liebesspiel genossen und war schon bald nicht mehr so schüchtern gewesen, wie er erwartet hätte. Aber er hatte den physischen Beweis ihrer Jungfräulichkeit gespürt, als er ihr Jungfernhäutchen durchstieß.
Es war also nicht ihr Kind.
Aber warum tauchte sie mit einem Straßenkind im Arm
Weitere Kostenlose Bücher