Eine heißblütige Lady: Roman (German Edition)
Vielleicht hatte die Festlichkeit ja sogar schon begonnen? Der Mut verließ sie. Das war nicht unbedingt der richtige Rahmen, um Chloe ins Haus zu bringen.
Alles andere als die ideale Ankunft.
»Es gibt immer noch den Dienstboteneingang, Madam.«
Fitzhughs Stimme klang so gequält, dass sie fast laut aufgelacht hätte. Aber sie war alles andere als fröhlicher Stimmung. Allein der Gedanke, das Haus zu umrunden, war für sie zu viel. Sie wollte so schnell wie möglich ins warme Innere des Hauses. Nicht unbedingt um ihretwillen, sondern vor allem wegen Chloe. »Nein«, sagte sie standhaft. »Ich weiß, heute sind Gäste im Haus. Aber ich weigere mich, sie einfach durch die Hintertür ins Haus zu bringen, Fitzhugh. Sie wurde lange genug versteckt.«
Kurz hatte sie den Eindruck, er wolle Einwände erheben. Dann aber blickte er das nasse, schmuddelige Kind in ihren Armen an und nickte. »Könnte sein, dass Ihr recht habt, Lady Longhaven.«
»Ich bin nicht erpicht darauf, allen zu sagen, was ich getan habe«, gab sie zu. »Sie kennen Michael besser als die meisten Menschen. Wird er mir vergeben?«
»Der Colonel ist ein sehr gerechter Mann. Ihr werdet aber schon durch diese Tür gehen müssen, um es herauszufinden.« Selbst nass und verdreckt schaffte es der ehemalige Sergeant, Würde auszustrahlen.
Sie schaute zu dem Säulenvorbau, der die Haustür umrahmte, und ermahnte sich, dass Chloe jedes Recht dieser Welt hatte, hier zu sein. Es wäre besser, wenn sie selbst nicht so verdreckt und müde wäre. Die ganze Situation war nicht gerade so, wie sie es sich vorgestellt hatte, wenn sie das Geheimnis enthüllte. Trotzdem musste sie es jetzt tun. Vielleicht war es das Beste, wenn sie es schnell hinter sich brachte.
Außerdem sah sie keinen anderen Weg. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht geschickter, durch den Hintereingang das Haus zu betreten. Aber nicht, um Chloe zu verstecken. Sie war ein menschliches Wesen, und auch wenn die Umstände ihrer Geburt alles andere als perfekt waren, trug das Kind daran keine Schuld.
Andererseits … Vor einer Schar Gäste mit dem Kind zu erscheinen …
Sie hoffte, die Gäste waren im Speisezimmer, damit Julianne das Haus unbemerkt betreten, sich baden und umziehen konnte, ehe man Erklärungen von ihr verlangte.
Selbst jetzt war sie nicht sicher, wie der Duke und die Duchess auf dieses Kind reagieren würden. »Komm, mein Liebling.« Sie strich ein paar nasse Strähnen aus Chloes Stirn. Das kleine Mädchen war sichtlich erschöpft und hielt die Augen halb geschlossen. »Es wird dir hier gefallen. Versprochen.«
Julianne straffte die Schultern und stieg die Treppe hinauf. Zu ihrer Überraschung wurde die Tür aufgerissen, ehe sie sie erreichte. Michael stand im warmen Licht, das einladend in die kalte Nacht strömte. Im Gegensatz zu ihrem Zustand war er gut gekleidet. Er trug einen maßgeschneiderten Abendanzug, und seine Krawatte war schneeweiß. Die Schuhe blitzten geradezu, da jemand sie poliert hatte.
»Wo hast du gesteckt?«, wollte er wissen. Sein Blick glitt über ihre durchnässte, zerzauste Erscheinung, ehe er sich vorwurfsvoll an seinen Diener wandte. »Was ist passiert?«
»Ich werde es Ihnen erklären, Colonel«, antwortete Fitzhugh auf seine gewohnt stoische und ruhige Art. Er stand neben Julianne.
Sie zitterte. »Nein, ich werde es erklären. Aber können wir das drinnen besprechen?«
Ihr Mann schien erst jetzt zu bemerken, dass er ihr den Eingang versperrte, denn er machte einen Schritt beiseite. Dankbar betrat sie das Haus, das sie sogleich in Wärme hüllte. Ihre verschmutzten Röcke hinterließen auf dem glänzenden Fußboden eine Spur aus Dreck. Sie tropfte überall hin, erkannte sie ergeben. Sogar von ihren Wimpern tropfte es. Julianne blinzelte und wünschte sich wenigstens ein trockenes Taschentuch, um sich die Nase zu putzen.
»Darf ich Euch den Mantel abnehmen, Mylady?« Rutgers war höflich wie immer zur Stelle. Als sei sie nicht völlig verdreckt heimgekommen und trüge ein kleines, verängstigtes Kind auf dem Arm.
»Ich fürchte, den kann man nicht mehr retten«, sagte sie reumütig.
»Zieh ihn aus«, sagte Michael knapp. Er schob das nasse Kleidungsstück von ihren Schultern.
Der strenge Butler schien ihrer Meinung zu sein, denn auch wenn es nicht offensichtlich war, hielt er das Kleidungsstück doch behutsam von seiner makellosen Kleidung weg und nickte einem der Lakaien zu. Dieser eilte herbei und nahm ihm den Mantel ab. Ihre Schuhe
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