Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
mir bewusst
gewesen war. Vollkommen ausgehungert. Dies war zwar nicht das Mahl, das mein
Appetit wünschte, aber Fleisch war Fleisch.
    »Was soll es nützen, den weißen
Ritter seiner Reinheit zu berauben, wenn du dir nicht die Mühe machst, ihn zu
töten?«, fragte Molch. »Das ist wie ein Reh zu hetzen und es dann laufen zu
lassen. Ich hoffe, das war es wert, deine Hexenmoral wegzuwerfen.«
    Ich saugte den letzten Rest
Fleisch von einem Truthahnbein. »Ich habe einen weißen Ritter verführt, den
sterblichen Mann vor aller Welt entblößt, und er nimmt es mir nicht einmal
übel. Nicht nur das, ich habe auch verbotene Freuden des Fleisches gekostet und
sogar etwas über mich selbst gelernt. Ich kann mir nichts Hexenhafteres
vorstellen.«
    »Deine Herrin wäre nicht dieser
Meinung.«
    »Das bezweifle ich stark. Durch
ihren Plan ist es zu dieser Nacht gekommen.«
    »Unser Streben ist Rache.«
    Ich lachte. »Rache oder Tod liegen
zwar am Ende dieser Reise, aber nicht bei jeder Reise geht es um das Ziel.« Er
gähnte und hob den Kopf. »Darf ich ihn dann töten?«
    Er kannte die Antwort bereits.
»Sinnlos«, brummelte er.
    Der Wandteppich des Seelenlosen
Gustav meldete sich zu Wort: »Da bin ich ganz deiner Meinung.« Der Zauberer
trat aus dem Gewebe. Er behielt allerdings seine Flachheit. Sie stand ihm, denn
selbst in drei Dimensionen war er eine dünne Gestalt. »Ich wollte nicht
lauschen, aber ich muss der Ente recht geben. Es ist nicht richtig, einen
weißen Ritter nicht auszunutzen, nachdem du, nun ja, nachdem du ihn ausgenutzt
hast. Das wird erwartet.«
    »Eine gute Hexe tut das
Unerwartete.«
    »Hervorragendes Argument, meine
liebe Hexe mit dem unausgesprochenen Namen.« Er schlenderte zu einem Stuhl und
faltete sich in eine sitzende Position. »Obwohl du meiner Einschätzung nach
sterben wirst, sobald der Morgen kommt.«
    Meine einzige Antwort bestand in
einem ironischen Grinsen. Ich nahm an, dass er recht hatte, aber andererseits
kann eine große Hexe sogar sich selbst ab und zu überraschen.
    »Da wir gerade von morgen
sprechen.« Der Seelenlose Gustav wedelte mit der Hand, und hartes Licht ergoss
sich durch die Fenster. »Du wirst meine Ungeduld entschuldigen, aber ich würde
es gern hinter mich bringen.«
    »Nein.«
    »Wie bitte?«
    »Noch nicht.«
    Er starrte mich finster an. »Ich
bin der Herr dieses Reiches. Du wagst es, mir Befehle zu geben?«
    »Keinen Befehl. Eine Bitte. Du
warst ein höchst gütiger Gastgeber - und gern würde ich noch ein letztes Mal an
deine Großzügigkeit appellieren.«
    Sein Blick wurde weicher.
»Natürlich. Vergib mir.« Er kehrte in den Wandbehang zurück. »Ich gewähre dir
noch zwei Stunden. Da sie deine letzten auf dieser Erde sein werden, schlage
ich vor, dass du sie gut nutzt.«
    »Das werde ich. Und ich danke
dir.«
    »Die Gesetze der Gastfreundschaft
gelten für alle, den einfachen Bauern und den legendären Zauberer
gleichermaßen.« Der Seelenlose Gustav nahm seine stille Wacht über den Raum
wieder auf, während Dunkelheit den Morgen begrub.
    Ich nahm mir ein paar Minuten,
damit sich mein voller Magen beruhigen konnte.
    »Was hast du über dich selbst
gelernt?«, fragte Molch. »Du sagtest, du hättest etwas gelernt.«
    »Ich habe gelernt, dass ich
niemals einen Mann lieben kann. Nicht als Frau.«
    »Bis jetzt scheinst du es aber
ausgezeichnet hinzubekommen.«
    Ich lächelte freudlos. »Ein
vorübergehender Genuss. Egal wie, ich bin verflucht. Meine Liebe wird immer dem
Untergang geweiht sein.«
    Mein Schatten hörte auf zu tanzen.
    Die harte Wahrheit zerrte an
meinem Hexenschleier. Molch wandte den Blick ab und rutschte in unbehaglichem
Schweigen hin und her. Penelope lehnte sich an meine Schulter.
    »Im Leben geht es nicht um die
Dinge, die man nicht haben kann«, sagte ich. »Es geht um die Geschenke, die man
auf dem Weg findet.« Obwohl die Wahrheit selten ein Trost ist, fühlte ich mich
nun etwas besser. Ich konnte Wyst nicht ein Leben lang lieben, aber ich konnte
ihn noch eine kurze Weile länger lieben.
    Mein Schatten sprang um die
Feuerstelle, als ich zur Treppe ging.
    Molch schnaubte. »Du kannst mir
nichts vormachen. Ich weiß, warum du ihm seine Tugend genommen hast. Du hast
ihn verletzlich gemacht, um ihn zu schützen.«
    »Tatsächlich?«
    »Oh, hör bitte auf, die Mysteriöse
zu spielen. Ich durchschaue das Ganze. Wyst war dem Seelenlosen Gustav allein
vielleicht nicht gewachsen, aber er hätte dir immerhin helfen können. Und du
brauchst jeden Vorteil,

Weitere Kostenlose Bücher