Eine Hexe mit Geschmack
gekommen, als Penelope sie schließlich für mich traf.
Sie pochte zweimal an die Tür und
glitt hinter mich, als sie sich öffnete. Wyst stand im Türrahmen. Er sagte
nichts. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, bis auf den sanften Bogen seiner
fragend hochgezogenen Augenbrauen.
Plötzlich war ich sehr verlegen.
Es machte mir nichts aus, praktisch nackt vor jemandem zu stehen. Vor allen
außer vor diesem Mann. Ich war ein Wesen von makel-loser, fluchbelegter
Schönheit, und er liebte mich. Dieses Wissen schien jedoch rein gar nichts zu
ändern. Ich wollte meinen dicken schwarzen Kittel wieder. Vielleicht einen Hut.
Selbst ein Schal, den ich mir hätte um die Schultern drapieren können, wäre
nett gewesen.
Ich hielt meine Hände an der Seite
und widerstand dem Drang, meinen Körper hinter verschränkten Armen zu
verstecken. Ich schluckte einen Kloß in meinem Hals.
»Darf ich hereinkommen?«
Seine Augenbrauen stiegen ein
Stückchen höher. Er sah den Flur entlang, hinter sich in sein Zimmer und wieder
zu mir hin, bevor er zur Seite ging. Ich trat in sein Zimmer. Penelope blieb im
Flur. Ich flüsterte meinem Besen ein Dankeschön zu, als ich die Tür schloss.
Sein Zimmer war gemütlich. Ich war
allerdings zu abgelenkt, um etwas außer dem Bett und einer gefalteten Decke auf
dem Boden zu sehen.
»Ich hoffe, ich störe nicht.«
»Ich habe nur meditiert.«
Die Meditation weißer Ritter
musste eine anstrengende Tätigkeit sein. Er war leicht außer Atem. Schweiß
stand ihm auf der Stirn und sein ganzer Körper war angespannt. Oder vielleicht
lag das auch an meiner Anwesenheit. Er konnte mich nur aus den Augenwinkeln
ansehen.
Es war schrecklich heiß in diesem
Raum. Ich ging zum Fenster und öffnete es einen Spalt. Wyst spiegelte sich in
dem fleckenlosen Glas. Er betrachtete mich von hinten, sich nicht bewusst, dass
ich seinen Blick an meinem Körper auf und ab wandern sehen konnte. Ich legte
meine Finger ans Fenster und zeichnete die Spiegelung seines starken,
anziehenden Gesichtes nach.
»Ist etwas nicht in Ordnung,
Hexe?« Er sprach leise. Es war das erste Mal, dass ich ihn murmeln hörte.
Ich war furchtbar unerfahren, doch
ich war ein Wesen, das gemacht war, um zu verführen. Ich vertraute meinen
Instinkten und drehte mich langsam, damit Wyst meine Gestalt von allen Seiten
genießen konnte. Dann glitt ich zu ihm hinüber, im wahrsten Sinn des Wortes um
Haaresbreite über dem Boden schwebend. Mein Kleid bauschte sich und enthüllte
meine vollendeten Beine. Sein bereits angespannter Körper straffte sich. Ich
kam näher, berührte ihn aber nicht.
Er wandte das Gesicht von mir ab.
»Was tust du da?«
Ich legte eine Handfläche an seine
Wange und drehte sein Gesicht zurück. Er schloss die Augen.
»Ich kann das nicht.«
Worte konnten viel sagen, und sie
sagten umso mehr, wenn es so wenige waren. Er hatte nicht gesagt, dass er es
nicht tun würde. Er hatte gesagt, er könne es nicht tun. Nicht können gilt für
Dinge, die man nicht tun darf, von denen man aber weiß, dass man sie tun wird.
Er legte eine Hand auf meine Hand,
als wolle er sie wegschieben. »Ich habe ein Gelübde abgelegt, einen heiligen
Schwur.«
Ich fuhr mit einem Finger über
seine weichen Lippen. »Sag mir, dass ich gehen soll und ich tue es.« Ich tat
mein Bestes, so zu klingen, als würde mich das nicht stören.
»Ich brauche meine Tugend«,
flüsterte er. »Ohne sie kann ich es nicht mit dem Zauberer aufnehmen.«
»Und mit ihr kannst du es trotzdem
nicht.«
Er zog sich einen halben Schritt
zurück. »Ich kann nicht zulassen, dass du dich ihm allein stellst. Ich muss
dich beschützen!«
Wieder sagten seine Worte viel.
Sein Widerstand kam nicht aus dem Keuschheitsgelübde. Er stammte aus seiner
Liebe, seinem Wunsch, mich vor Schaden zu bewahren. Ich verstand ihn besser,
als er ahnte. Wir waren uns so ähnlich, aber anders als meine Bürde konnte
seine aufgehoben werden.
»Du kannst mich nicht vor meinem
Schicksal bewahren, Wyst. Und du wirst dem Seelenlosen Gustav morgen nicht
begegnen. Es ist allein mein Kampf. Du hast alles für mich getan, was du
kannst. Da ist nur noch ein Gefallen, um den ich dich bitten möchte ...«
Ich trat so nahe an ihn heran, wie
ich nur konnte, ohne ihn zu berühren. Die Hitze seines Körpers überspülte mich.
Die Laternen flackerten, als meine Lust wuchs. Ich wollte ihn zu Boden werfen
und ihn zwingen, mich zu lieben. Aber es war seine Entscheidung.
Er starrte mir in die Augen und
biss sich auf die
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