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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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von winzigen Planeten drehten sich inmitten
einer Unendlichkeit von Sternen. Weder Molch noch die Füchsin waren bei mir.
    Der Seelenlose Gustav stand im
Zentrum seines Universums. »Schön, nicht wahr?«
    Ich blieb angemessen
unergründlich. »Ich schätze mal, ja. Ungefähr so, wie das Gemälde einer Blume
beinahe so schön sein kann wie die Blume selbst.«
    Er blickte finster. Dann seufzte
er und lächelte in einer passablen Imitation guter Stimmung. »Vergib mir, Hexe.
Ich hatte vergessen, dass dir die Vision fehlt, um zu sehen, was ich dir
gezeigt habe.«
    Sein Sonnensystem kam drehend zu
einem langsamen Halt. Ein winziger Planet hörte auf, vor mir zu kreisen, damit
ich seine Kontinente und Ozeane betrachten konnte. Wenn ich genau genug hinsah,
konnte ich zweifellos Bergketten, Wälder und Wüsten erkennen, genauso wie
Dörfer und Städte, die von Millionen von Phantomeinwohnern wimmelten.
    »Es ist eine fehlerlose
Neuschöpfung. Dies ist das Universum, mein Universum. Noch ist es klein, aber
es wird wachsen wie ein Samenkorn. Und eines Tages wird es dieses mangelhafte
Durcheinander ersetzen, das du Realität nennst.«
    Ich gab dem Planeten einen Klaps,
damit er sich wieder weiterdrehte. »Wie traurig, dass du denkst, dies sei ein
Traum, für den es sich zu kämpfen lohnt. Du hast mein vollstes Mitleid.«
    Seine Erde drehte sich schneller.
Er ging zwischen den sausenden Kugeln hindurch. »Du hast Mut, Hexe. Das muss
ich zugeben. Dies ist nicht deine Realität. Noch ist es auch nur das schmutzige
Reich der Zauberei außerhalb dieses Würfels. Dies ist meine Macht, rein und
unverwässert. Hier bin ich ein lebender Gott, und du bist ganz und gar nichts.«
    »Vielleicht. Aber ich bin eine
gute Hexe, sogar hier. Und du bist trotzdem ein sehr schlechter Zauberer, sogar
hier.«
    Das einzige Zeichen der Wut des
Seelenlosen Gustav zeigte sich in einer geballten Faust. »Deine Prahlerei
täuscht mich nicht, Frau. Ich spüre deine Angst, deine Ehrfurcht.«
    »Du hast zu lange zwischen Glas
und Schatten gelebt. Du spürst nichts als die Illusionen, die du dir wünschst.«
    Er hob die Hand. Ein winziges
Abbild von mir stand auf seiner Handfläche. Er wedelte mit seiner anderen Hand
darüber und es krümmte sich und löste sich mit gequältem Kreischen in eine
faulige Paste auf.
    Ich lächelte. »Höchst
beeindruckend. Wäre ich ein Phantom, ich hätte furchtbare Angst.«
    »Wie kannst du es wagen ...«
    »Ich wage es. Ich gebe zu, dass
ich mich einmal ein wenig davor gefürchtet habe, mich dir zu stellen, aber das
verschwand in dem Augenblick, als du mir deinen Traum zeigtest.« Ich hob die
Hand und pflückte einen vorbeikommenden Mond. »Du hast so viel Macht zu deiner
Verfügung, und das hier ist das Beste, was du zustande bekommen hast.«
    »Alles, was ich zustande bringe!«,
knurrte der Seelenlose Gustav. Seine Stimme echote von einem Ende der
Unendlichkeit zum anderen, während seine Höflichkeit zu bröckeln begann. »Ich
habe ein Universum neu geschaffen!«
    Ich schüttelte den Kopf und
balancierte den Mond auf den Fingerspitzen. »Es gibt da draußen doch bereits
ein vollkommen ausreichendes Universum. Es neu zu schaffen ist reine
Verschwendung von Magie, eine Übung in Sinnlosigkeit.«
    Die Umlaufbahn seiner Welten wurde
unregelmäßig.
    Sie schwirrten herum und
kollidierten beinahe miteinander.
    »Du wagst es, meine Macht zu verhöhnen!«
    »Deine Macht niemals. Sie ist ohne
Frage Ehrfurcht gebietend. Ich meine nur, dass dir die Vision fehlt. Du hast
die Gabe zu schaffen, was immer dein Wille sich wünscht, das Unwirkliche
wirklich zu machen. Dennoch beschließt du, etwas zu machen, was es bereits
gibt. Dir fehlt das Eine, was jeder große Zauberer besitzen sollte: Phantasie.
Ohne sie zählt all die Magie dieses Universums und tausend anderer überhaupt
nichts.«
    Die Wut des Seelenlosen Gustav war
für seine Schöpfung eine Katastrophe. Welten krachten ineinander. Sterne
blitzten, um innerhalb von Augenblicken zu verbrennen. Der Mond zerbrach auf
meinen Fingerspitzen in der Mitte.
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft,
dass du mich besiegen kannst?«, sagte er leise durch zusammengebissene Zähne.
    »Wahrscheinlich nicht«, gab ich
ihm recht. »Aber selbst wenn ich verliere, was änderte es? Auch wenn du mit
deinem Traum Erfolg hast, was macht es denn aus? In jedem Fall besteht dieses
Universum weiter. Ob Original oder phantasielose Illusion, ich sehe da keinen
Unterschied.«
    Der Seelenlose Gustav atmete tief
ein,

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