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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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diesem Ort, wo sich
Realität und Illusion vermischten. Eine Flut von Macht erfüllte mich, als wir
die Schwelle überschritten. Der Seelenlose Gustav hatte den Kontakt mit der
echten Magie nicht vollkommen verloren. Sie schwoll um ihn herum an, doch er
war ein gebrochener Mann. Träume, an die er nicht mehr glauben konnte, umgaben
ihn, und er weinte.
    Meine Gefährten standen an meiner
Seite. Niemand außer Molch konnte den gefallenen Zauberer ansehen.
    »Willst du ihn töten? Oder darf
ich?«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Aber deine Rache! Du wirst ihn
doch sicher nicht leben lassen?«
    »Der Tod wäre eine Erlösung. Jetzt
lebt er, verlassen und jämmerlich, ohne Hoffnung und Freude oder auch nur die
hohlen Phantasien davon. Das ist meine Rache.«
    »Das ist ja grausam!« Er lächelte
mich an. »Die Herrin wäre stolz auf dich.«
    »Und was wird aus diesem Ort
hier?«, fragte Wyst.
    »Ich könnte ihn ungeschehen
machen, aber das ist nicht notwendig. Er wird zu seiner Zeit von selbst
verblassen, und die Welt wird niemals wissen, dass er hier gewesen ist.«
    Ich warf einen letzten Blick auf
den Seelenlosen Gustav, der schluchzte. Ich konnte den Anblick meiner Rache
nicht länger ertragen. Ich wandte mich um und hatte vor, ohne einen Blick
zurück davonzugehen.
    »Du wagst es, mir den Rücken
zuzuwenden!«, grollte er. Seine Stimme brach. Ich spürte das Aufwallen der
Magie, als er sie anrief. »Hier wirst du den Tod nicht Unglauben können, Hexe!«
    Meine Gefährten stellten sich zu
meiner Verteidigung auf. Ihr Schutz war zwar unnötig, aber willkommen.
    Die gesamte Feinsinnigkeit des
Seelenlosen Gustav war fort. Seine Wut machte seine Zauberei zu einem Ekel
erregenden, vulgären Bemühen. Er wandelte sich zu einem Monster aus Reißzähnen
und Klauen, mit wütenden roten Augen ohne erkennbare Form. Es war zu hässlich,
um echt zu sein, zu grotesk und gestaltlos, um vom Universum akzeptiert zu
werden. Es war das finale Phantom, der stechende Biss, der den Drachen weckte.
Der Seelenlose Gustav entfesselte seinen eigenen Untergang.
    Ich hatte den Drachen nur als
Metapher gemeint, aber der Magie musste der Gedanke gefallen haben. Die Erde
bebte, als eine schwarzrote Schlange die Wolken teilte und den Himmel ausfüllte.
Sie war so riesig, dass man sie nicht in Gänze sehen konnte. Sie öffnete
furchtbare Kiefer und eine reinigende, weiße Flamme spülte über das magische
Königreich. Bis auf das Rumpeln der Erde machte es kein Geräusch. Das läuternde
Feuer brannte ohne auch nur ein Knistern. Die verbrannte Landschaft wurde erst
zu Asche, dann zu überhaupt nichts. Das Feuer versengte meine Gefährten, ohne
ihnen etwas anhaben zu können. Wir waren echt. Ich spürte nicht einmal seine
Hitze. Der Seelenlose Gustav hatte nicht so viel Glück. Verdreht und verkohlt
lag er auf der kahlen Erde. Letztlich war er tatsächlich seelenlos. Er hatte zu
lange zwischen Illusionen gelebt. Irgendwo unterwegs war er selbst zu einem
Phantom geworden.
    Gequält sog er den Atem ein. »Ich
verfluche dich, Hexe mit dem unausgesprochenen Namen. Von diesem Tag an ...«
    »Ach, halt die Klappe!«
    Seine Augen weiteten sich. Es war
ein Verstoß gegen die Etikette, ihn zu unterbrechen, aber der eine Todesfluch,
den ich bereits trug, war wirklich genug.
    »Wie unhöflich!«
    Er zerbröckelte. Penelope konnte
es sich nicht verkneifen, seine aschigen Überreste zu einem ordentlichen
Häufchen zusammenzukehren.
    Der Drache verschwand. Ein Teil
eines gewaltigen goldenen Flügels verblasste zuletzt. Die Illusion des Raums
war das Letzte, was vom Reich des seelenlosen Gustav verblasste. Das Feld aus
nackter Erde schrumpfte und schrumpfte, bis es nur noch ein Fleck von kaum zwei
Fuß Größe war, das allerletzte Mahnmal der närrischen Träume eines der größten
Zauberer, die je gelebt hatten.
    »Das war das ganze Zauberreich?«,
fragte Molch.
    »Scheint mir nichts Besonderes zu
sein«, stimmte Gwurm zu.
    »Dass es zu so etwas wurde«, sagte
ich, »sollte es nicht geringer erscheinen lassen, als es einmal war.« Ein
Windstoß trug die Asche davon.
    »Und das war's?«, fragte Molch.
»Ist es nun vorbei?«
    »Nicht ganz.«
    Ich kniete mich nieder und legte
eine Hand auf die Erde. Frisches grünes Gras spross über das Mahnmal des
Seelenlosen Gustav.
    »Manche Träume werden am besten
vergessen.«
     
    NEUNUNDZWANZIG
     
    Ich hatte gehofft, diese letzte
Sache nicht tun zu müssen. Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte sogar erwartet,
tot zu sein und

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