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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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bis er einem Moment
der Schwäche verfiel, in einen Kerker geworfen. Selbst die tugendhafteste Seele
würde einem Stück frischem Obst oder dem Kuss einer schönen Jungfrau verfallen.
Dann ging es ab zum Block oder Galgen. Diese Methode war weit entfernt von
narrensicher. Sehr oft hielt der Ritter lang genug durch, um gerettet zu werden
oder zu entkommen.
    »Wäre Ertränken nicht einfacher?«,
fragte ich.
    »Das wäre es schon, aber die
meisten nehmen an, wenn man in zehn Minuten nicht ertrunken ist, wird man es
auch später nicht mehr.« Er lag auf dem Rücken und atmete so wenig wie möglich.
»Und wie genau finden untote Hexen den Tod? Tun sie es überhaupt?«
    »Ich bin alterslos, nicht
unsterblich.«
    Ich kannte allein durch die
Grausige Edna und ihre Gespräche mit der Magie vier sichere Arten, wie ich
sterben konnte. Erstens gab es da die Magie selbst. Aber eine Magie, die
mächtiger war als mein Fluch, kam nur ungefähr einmal im Jahrhundert vor.
Feuer, als Diener sowohl von Leben als auch von Tod, konnte mich töten. Bis auf
die Tatsache, dass ich als Hexe gut Freund mit dem Feuer war. Nur die wütendste
Flamme stellte also irgendeine Art von Gefahr für mich dar. In drei oder vier
Stücke gehackt zu werden war dagegen vielleicht sogar die effektivste Art,
vorausgesetzt man sorgte dann auch dafür, dass meine Teile lange genug davon
abgehalten wurden, sich wieder zusammenzufügen.
    »Wie lange?«, fragte Wyst.
    »Das hängt größtenteils davon ab,
wie viele Stücke es sind, aber mindestens einen guten Monat.«
    Er wand sich voller Unbehagen.
»Und die letzte Methode?«
    Ich zögerte, Wyst davon zu
erzählen. Ich hatte es immer für unmöglich gehalten. Unmöglich ist ein Gedanke,
der von Sterblichen gehegt wird, um ihre Welt sicher zu halten. Dennoch sind
manche Dinge so unwahrscheinlich, dass die Unmöglichkeit keine große
Übertreibung ist. Aber ich vertraute Wyst mein Leben an. Und meinen Tod.
    »Wenn mir von jemandem, den ich
liebe, das Herz durchbohrt wird.«
    Es folgte ein weiteres kurzes
Schweigen zwischen uns. Bevor einer von uns es beenden konnte, kam Gwurm ins
Lager zurückgestampft. Er trug eine beeindruckende Ladung von Ästen. Molch kam
mit einem halben Dutzend Eichhörnchen zum Abendessen zurück. Wyst und ich
sprachen an diesem Abend nichts mehr miteinander. Und als schließlich alle
eingeschlafen waren, kroch ich davon und setzte mich in die tröstliche
Dunkelheit direkt außerhalb des Lichtkreises des Lagerfeuers.
    Ich beobachtete Wyst aus den
Schatten heraus. Er schlief unruhig. Seine Schmerzen waren zwar unwesentlich
und hauptsächlich unangenehm, aber jeder seiner mühsamen Atemzüge stach mich in
die Seite. Ich wollte dafür sorgen, dass es ihm besser ging. Außerdem wollte
ich ihn auffressen, einen saftigen Bissen nach dem anderen. Aber erst, nachdem
er mich in seine Arme genommen und ich seinen Kuss geschmeckt und seine warme
Haut an meiner eigenen gespürt hatte.
    »Du liebst ihn.«
    Ich war so auf Wyst konzentriert,
dass ich nicht einmal bemerkt hatte, dass Gwurm wach war. Der Troll setzte sich
neben mich.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Was
ist Liebe?«
    Gwurm kicherte. »Das weiß niemand
so genau. Liebe verweigert sich in ihrer komplexen Schlichtheit jeglicher
Erklärung. Wie Magie, denke ich.«
    Der Vergleich machte das Verstehen
einfacher. Magie benötigt keine Erklärung, nur den Verstand zu wissen, dass sie
da ist. Genauso ist es mit zahllosen anderen Dingen in dieser Welt und
außerhalb davon.
    »Ich liebe ihn.«
    Das Zugeständnis fiel im Dunkeln
leichter. Und wie die Grausige Edna meine Mutter gewesen war, so war Gwurm zu
meinem Bruder geworden. Er nahm mit seinen immensen Fingern meine kleine Hand.
    Ich hatte nicht bemerkt, dass auch
Molch wach war. »Wenn dich die Herrin jetzt hören könnte.« Er setzte sich zu
meinen Füßen. »Hexen und Liebe, das ist doch unnatürlich.«
    Wie so oft ignorierte ich ihn.
Dämonen können nicht lieben. Ihnen fehlt die Eigenschaft, sich für
irgendjemanden außer für sich selbst zu interessieren. Und dafür bemitleidete
ich ihn und alle Dämonen.
     
    ZWANZIG
     
    »Du solltest ihn töten«, sagte
Molch. »Wenn du ihn wirklich liebst.«
    Es war eine typische
Dämonenschlussfolgerung, eine Schwäche zu zerstören, bevor sie einen selbst
zerstört. Aber ich wollte Wyst aus dem Westen nicht töten. Er machte mir keine
Angst. Genauso wenig wie Zauberer. Oder auch die Liebe. Nur eine Sache machte
mir Angst.
    Mein Fluch. Und was er mich

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