Eine Hexe zum Verlieben 3: Jaguare Küsst man nicht - Ein Elionore Brevent Roman (German Edition)
auch», murmele ich leise, und Vincent lehnt in einer schnellen Bewegung seine Stirn an meine. «Wie kann ich dir helfen?», frage ich leise, und er atmet zitternd ein, was mir seine innerer Qual deutlicher macht, als jedes Wort es vermocht hätte.
Verdammt, jetzt mache ich mir Sorgen um ihn. Er spricht nie über seine Vergangenheit, und ich weiß sehr deutlich, dass das alles in seiner Seele noch nicht verarbeitet und abgeschlossen ist. Und dass ihm das Auftauchen seiner Schwester so nahe geht, macht mir Angst.
«Kannst du heute Nacht vielleicht bei Florentine bleiben? Oder bei deinen Eltern? Ich muss … Dinge klären und sie», er deutet vage in Richtung Terrasse, «hat ein Problem mit Menschen.»
Ich lasse mir die Worte durch den Kopf gehen, kämpfe den aufkeimenden Widerstand nieder, dann nicke ich. Wenn ihm das hilft, werde ich wohl in der Lage sein, eine Nacht aushäusig zu verbringen.
Ich rutsche von seinem Schoß und greife nach meinem Handy, um Flo anzurufen. Der kleine Ex-Engel mit den blonden Locken zeigt sich begeistert und gibt nach meiner Frage, ob ich die Nacht bei ihr verbringen kann, ein begeistertes: «Geil, Pyjama-Party!» von sich.
Sie hat sich im vergangenen Jahr exorbitant gut in der menschlichen Welt eingelebt. Um genau zu sein, hat sie sich quasi komplett assimiliert, und es fällt mir mittlerweile schwer, mir sie im Himmel vorzustellen. Sie passt einfach hierher. Und einen Job hat sie auch. Sie arbeitet als Fitnesstrainerin und gibt Pilates-Kurse. Die notwendigen Lizenzen hat sie mal schnell nebenbei in drei Monaten abgehandelt und dann hat sie Nicolas’ alte Loftwohnung im Industriegebiet in ein Pilates-Studio umgewandelt. Zack, zack ging das alles und mir als doch manchmal etwas langsame Erdhexe war ihre Geschwindigkeit fast schon unheimlich.
Ich packe also ein paar Sachen zusammen, während Vincent sich wieder zu seiner Schwester gesellt. Dann umrunde ich die Terrasse mit den schweigsamen Gestaltwandlern großzügig, entdecke ein totes Rotkehlchen neben den Mülltonnen (daraus ergibt sich ein neuer To-do-Listen-Punkt) und fahre in den Anemonenweg.
Nicolas öffnet mir die Tür. Und was soll ich Ihnen sagen … Er hat jetzt Haare! Und ob Sie es glauben oder nicht … Er ist blond! Jaa, ich habe das erste Mal, als ich seine immer länger werdenden Stoppeln begutachtet habe, auch recht sparsam aus der Wäsche geguckt. Ein blonder Vampir. Er hat das durch die immer frisch rasierte Glatze einfach nur hervorragend überspielt. Aber jetzt hat er tatsächlich so etwas wie eine Frisur und die blonden Haare schmeicheln seinen hellblauen Augen doch enorm.
«Hallo, Hexe», sagt er und bringt ein Lächeln zustande. Menschliche Mimik ist sonst nicht so sein Ding. Ernst oder Furcht einflößend gucken schon eher. Aber seit er sein magisches Potential immer mehr verfeinert und es Florentine in seinem Leben gibt, nehmen die vampirischen Züge definitiv ab.
Sie haben die alte Villa, über die ich Nicolas erst kennengelernt habe, im vergangenen Jahr renoviert, und ich als Fachfrau kann nur sagen: Hut ab!
Der 30er-Jahre-Bau hat sich vom hässlichen Entlein mit pipigelber Verklinkerung zu einer wirklich stattlichen Behausung gemausert. Das Haus ist weiß verputzt, es sind neue Holzkastenfenster eingebaut worden und die alten Holzdielen wurden kräftig überarbeitet und erstrahlen jetzt in einem warmen Honigton. Beim Streichen haben sie die gesamte Farbpalette von «Schöner Wohnen» (cremeweiß bis zartbeige) zum Einsatz gebracht und nur Nicolas’ müllwagenfarbener Flügel stellt einen stilistischen Bruch im Gesamtfarbkonzept dar.
Ich folge ihm durch den Flur bis in das großzügige Wohnzimmer, wo Flo auf dem Sofa herumlungert. Sie hält demonstrativ zwei DVD-Hüllen in die Luft und fragt, ohne Zeit für irgendwelche lästigen Begrüßungsfloskeln zu vergeuden: «Die erste Staffel von Sex and the City oder Die Gilmore Girls ?»
Außerdem trägt sie tatsächlich einen rosa geblümten Pyjama und auf dem Tisch stehen vier verschiedene Sorten Chips. Es fehlen noch die Gesichtsmaske und die Lockenwickler, aber bei Flos Pyjama-Party-Enthusiasmus dürften die nicht weit sein.
Und da ist es plötzlich: das ganz normale Leben! Wenn man die Anwesenheit eines Vampir-Hexer-Mischlings mal ausblendet und die Tatsache, dass auch Flo nur bedingt menschlich ist, mal komplett außen vor lässt, ist das hier ist doch etwas, was normale Frauen tun. Also tue ich es.
Ich schlüpfe in meine Jogginghose, esse Chips,
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