Eine Hexe zum Verlieben 3: Jaguare Küsst man nicht - Ein Elionore Brevent Roman (German Edition)
Gedanken an ihn weit weg. Ich werde schon noch ausreichend Zeit haben, mich mit meinem Vater zu befassen.
Vincent und Maria verabschieden sich, als die Dämmerung langsam einsetzt. Vermutlich wollen sie jagen gehen. Umgehend begebe ich mich auf die Suche nach meinen dicken Wanderboots, die ich immer trage, wenn ich durch den Hegewald marschiere, um der Einsamkeit zu frönen. Tief vergraben in meinem Abstellraum werde ich fündig und zerre die klobigen Schuhe unter einer Plastikplane, einem Fahrradreifen und einem Satz Schraubenschlüssel hervor. Ich schlüpfe hinein und stecke mir den Athame, meinen magischen Dolch, in die Tasche meiner Cargo-Hose. Vielleicht überkommt mich ja der Wunsch einen magischen Kreis zu ziehen. Im Vorbeigehen schnappe ich mir noch eine leichte Jacke und laufe an meiner Erdlinie vorbei Richtung Hegewald.
Als ich die drei großen Steine passiere, die den Beginn meines üblichen Wanderwegs säumen, hat die Dunkelheit schon alle Farben aus der Landschaft gesaugt. Meine Augen brauchen nicht lange, um sich den veränderten Lichtverhältnissen anzupassen, und so finden meine Füße quasi ganz von alleine den richtigen Weg zur alten Weide – meinem Lieblingsbaum.
Weiden sagt man vieles nach. Wahr ist, dass ihre Rinde eine heilende und schmerzlindernde Wirkung hat. Angeblich sollen auch Hexenbesen immer aus einem Ast der Weide gefertigt worden sein. Nun, das ist jetzt nicht so meine Materie, ich fahr ja lieber meinen kleinen italienischen Macho als zu fliegen, aber dieser Baum ist wirklich etwas Besonderes. Er steht nämlich mitten im norddeutschen Laubwald, weit entfernt von jeglichem Gewässer, was eigentlich sein natürlicher Lebensraum wäre.
Meine Lieblingsweide ist schon sehr alt, vom Umfang ihres Stammes schätze ich sie mal auf mindestens neunzig Jahre, das heißt, sie hat sich an diesem Standort, umzingelt von schweren deutschen Eichen und Buchen, ziemlich gut behauptet. Was vielleicht auch an ihrer direkten Verbindung zu meiner Erdlinie liegt, denn wenn ich an ihrem Stamm sitze, spüre ich die unbändige Erdmagie durch den ganzen Baum strömen. Andere Leute gehen in die Sauna oder ins Kino, ich gehe hierher, und so sinke ich am Fuß des gewaltigen Stammes in die Hocke und lehne mich dann gemütlich mit dem Rücken an den breiten Stamm.
Die Stille des Waldes beruhigt mich augenblicklich, dabei ist er eigentlich gar nicht still. Irgendetwas wuselt ganz in meiner Nähe durch das Dickicht, die Vögel geben ein Abendkonzert und ganz entfernt höre ich die kraftvolle Magie der Erdlinie leise brummen. Die Bäume rascheln mit ihren Blättern und ich atme tief ein. Der Baumstamm wärmt mir den Rücken, und gerade als ich dabei bin, langsam und zum ersten Mal seit Tagen in einen Zustand der Ruhe abzugleiten, faucht etwas in meiner Nähe.
Kein Igelfauchen. Größer. Es faucht wieder und klingt nach einem … sehr großen Säugetier.
Lautlos komme ich auf die Füße und schleiche zum nächstliegenden Busch. Eigentlich sollte ich alles kennen, was in diesem Wald in der Lage ist, in diesem Tonbereich zu fauchen, aber sicher ist sicher, und so ducke ich mich hinter die dichten Blätter und warte erstmal ab.
Es ist für meine Augen erst sehr schwierig, die dunkle Gestalt vor dem dunklen Hintergrund des Waldes zu erkennen, aber je länger ich einen Punkt dahinter fixiere, desto besser wird meine Nachtsicht. Eine sanfte Erleichterung durchflutet mich. Zumindest werde ich heute Abend nicht Reißaus nehmen müssen vor wilden Tieren, die sich im Hegewald verirrt haben. Vor mir auf der Lichtung schleicht Vincent durch das hohe Gras. Einen Moment wundere ich mich, dass er mich noch nicht gewittert hat, als eine weitere Raubkatze die Lichtung betritt.
Die Raubkatze hat mich nicht gewittert, weil sie nicht Vincent ist. Jetzt, als beide Jaguare nebeneinanderstehen, erkenne ich den Größenunterschied zwischen ihnen. Spielerisch schlägt Maria mit ihrer Pfote nach Vincent und er weicht elegant mit einem rauen Zischen aus. Maria folgt dieser Bewegung mit einer unglaublichen Leichtigkeit, dann gibt sie einen hohen Laut von sich und macht auf den Hinterpfoten kehrt. Statt ihr zu folgen, lässt Vincent sich auf die Seite fallen, was Maria erneut dazu bringt, sich auf ihn zu stürzen. Vinc hebt die Lefzen und bleckt sein gewaltiges Gebiss.
Mit einem leisen Gefühl der Bestürzung wird mir bewusst, was Maria dort versucht. Sie lockt Vincent mit ihr zu spielen. Keine zwei Atemzüge später hat es meinen Jaguar
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