Eine Hexe zum Verlieben 3: Jaguare Küsst man nicht - Ein Elionore Brevent Roman (German Edition)
mich aus dieser misslichen Lage zu befreien.
«Hallo?», murmele ich leise, weil mein Gesicht zum größten Teil in feuchter, modrig riechender Erde vergraben ist, aber niemand eilt mir zu Hilfe.
Wo sind meine Begleiter?
Ich beschließe einfach noch ein wenig liegen zu bleiben. Das ist zwar nicht schön, aber es scheint kein akuter Handlungsbedarf zu bestehen. Niemand will mich fressen und die Vögel piepen fremdländisch klingende Töne. Abgesehen davon habe ich eh gerade keine andere Wahl. Ich lausche den Vögeln und versuche irgendeinen optimistischen Gedanken zu formulieren. Bei «Es hätte schlimmer kommen können» breche ich das Experiment ab und nehme all meine Kraft zusammen.
Mit einem Ruck schaffe ich es, mich auf die Seite zu drehen, und in dieser Position bin ich sogar in der Lage, mich aufzusetzen. Womit ich mich erstmal gegen den Rucksack in meinem Rücken lehnen kann, was ganz bequem ist. Ich spüre, wie das Blut zurück in meine Hände schießt. Ekeliges Gefühl. Es kribbelt, als hätte ich in einen Ameisenbau gegriffen und acht Billionen Ameisen hätten mich in Notwehr angepisst. Ich schüttle die Arme aus und blicke mich um.
Alles ist knallgrün und augenblicklich kommt mir der Begriff «Grüne Hölle» in den Sinn. Die Bäume sind hochhaushoch und ich liege inmitten einem Feld aus Farn, um mich herum nur Grün in allen Variationen. Es riecht leicht faulig nach im Kühlschrank vergessenen Möhren.
Ich bin zwar ein Naturgeschöpf, aber das hier ist kein natürlicher Lebensraum für eine gemeine, norddeutsche Erdhexe, die sich sonst zwischen Eichen und Kastanien herumtreibt. Das hier ist der Wahnsinn.
Der Wald ist überall und vom Himmel sehe ich nur einen klitzekleinen blauen Fleck, ganz am oberen Ende der Bäume. Ich hatte im Internet gelesen, dass die Sonne in Brasilien recht früh untergeht. Skeptisch betrachte ich den kleinen hellblauen Fleck ungefähr hundertfünfzig Meter (eventuell übertreibe ich jetzt) über mir. Ich bin offensichtlich bei unserer Reise nicht nur einmal falsch abgebogen, sondern auch noch zu einer anderen Uhrzeit herausgekommen.
All diese miesen Erkenntnisse lösen ein Grummeln in meinem Magen aus und schlagartig kitzelt etwas meine Wahrnehmung. Etwas nicht Schönes. Etwas wirklich Schreckliches. Es fühlt sich an wie ein Ableger der dunklen Magie. Ein latentes, nerviges Surren, ganz entfernt, aber doch so präsent, dass mir spontan ein wenig übel wird.
Ich will gerade den Mund aufklappen und nach Vincent rufen, als ich ihn sehe. Er steht in der Luft wie ein Kolibri und betrachtet mich interessiert.
Natürlich nicht Vincent. Der kann ja nicht fliegen. Zumindest nicht, dass ich es wüsste. Aber was weiß ich schon. Ich klappe den Mund wieder zu und starre ihn an. Mein Gehirn versucht das Wesen vor meinen Augen zuzuordnen, gibt den Versuch aber schnell wieder auf.
Also um es auf den Punkt zu bringen: Keine zwei Meter vor mir fliegt eine Schlange, mit sehr bunten Federn, einer kleinen Krone auf dem Kopf und smaragdgrünen Augen. Ich bin irritiert, um es gelinde auszudrücken, dennoch tue ich das, was man in dieser Situation so zu tun pflegt: freundlich grüßen.
«Bom dia! Como estás?», frage ich deshalb. Ich muss die fliegende Schlange duzen, weil ich die «Sie»-Form im Portugiesischen nicht beherrsche, was mir ein wenig unangenehm ist, weil ich die Flugschlange, laut Knigge, vermutlich siezen müsste.
«Bem, obrigado! E tu?», antwortet das Wesen mit glockenklarer Stimme.
Tja, somit sind meine portugiesischen Vokabeln auch fast schon aufgebraucht. Ich könnte mir jetzt noch ein Bier bestellen, was wenig zielführend wäre, und so frage ich: «Sprichst du Deutsch?»
Bedächtig nickt das Wesen. «Jaaa», antwortet es gedehnt und legt den Kopf mit dem kecken Krönchen schräg.
«Ich habe meine Mitreisenden verloren», versuche ich sofort, ihn für meine Sache zu gewinnen. Immerhin kann er fliegen, was ihm vermutlich einen besseren Überblick über die aktuelle Sachlage ermöglicht als mir.
Ich hocke schließlich immer noch mit dem schweren Rucksack auf dem übel riechenden Waldboden herum. Glauben Sie mir, ich bin sonst nicht so vertrauensselig, aber dieses fliegende Etwas strahlt positive Energie ab wie ein Weihnachtsbaum mit Kerzen darauf und Geschenken darunter Weihnachtsstimmung. Was eine nette Abwechslung ist, neben dieser latent summenden unheilschwangeren Energie, die durch diesen Urwald zieht.
Ich spüre seine Neugierde und sehe sie dazu noch in
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