Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
weißen Marmorbalkon mit Blick auf ein lindgrünes Meer.
»Rob bekommt Einladungen von Klavierliebhabern aus der ganzen Welt«, erklärte Josh.
»Hast du mal an der Kidd ein Konzert gegeben?« fragte Harrison.
»Ich habe früher in der Kirche der Kongregationalisten Konzerte gegeben. Ich habe niemandem im College was davon gesagt. Aber da war eine Musiklehrerein, Mrs. Lamb.«
»Ja, ich erinnere mich düster.«
»Dicke Haare? Rosa getönte Brille? Sie hat mich unter ihre Fittiche genommen und mich das letzte Schuljahr und die zwei darauffolgenden Jahre unterrichtet. Ich habe im Supermarkt im Ort an der Kasse gearbeitet, um die Stunden bezahlen zu können. Sie hat mich an die Juilliard gebracht.«
»In diesem Supermarkt habe ich auch gearbeitet«, sagte Harrison und reichte Josh den Packen Fotografien zurück.
»Nora sieht gut aus, findest du nicht?« meinte Rob.
»Doch, ja.«
»Sie hat wirklich ein Näschen.«
»Ja, sie scheint zu wissen, was sie will«, sagte Harrison. Er hätte gern noch einen Drink gehabt. Ihm fiel ein, wie Jerry einfach den Arm gehoben hatte. Aber geholfen hatte es ihm nichts. »Lebst du gern in Boston?« fragte er.
»Ja, sehr«, antwortete Rob. »Wir wohnen im Süden. Klasse Restaurants. Aber ich bin natürlich nie da. Jedenfalls kommt es mir so vor.«
»Stört dich das viele Reisen?« Harrison dachte an Autoren, die ständig über die Lesereisen jammerten und die besten Hotels verlangten.
»Das gehört nun mal zum Geschäft«, meinte Rob liebenswürdig.
Harrison bemerkte, das Jerrys Frau, weiß gekleidet, einsam am Getränketisch stand. »Wollt ihr noch etwas zu trinken haben?« fragte er. »Ich hole mir noch ein Glas.«
Rob und Josh tauschten einen Blick. »Danke, wir haben noch«, sagte Josh.
»Bis später dann«, sagte Rob. »Du bist doch zum Essen da?«
»Ganz bestimmt.«
Harrison ging zum Getränketisch. Er hielt dem Barkeeper sein Weißweinglas hin. »Das gleiche?« fragte er, und Harrison nickte.
»Hallo«, sagte er zu Julie und reichte ihr die Hand. »Ich bin Harrison Branch, ein ehemaliger Klassenkamerad von Jerry.«
»Ich bin Julie.« Sie bot ihm die Fingerspitzen. Auch sie trank Wasser.
»Sie kommen sich hier wahrscheinlich ganz verloren vor«, sagte er.
»Ein wenig, ja.« Julies langes, glattes Haar paßte zu den hohen Wangenknochen und den großen Augen.
»Es ist immer schwierig, sich zurechtzufinden, wenn man irgendwo der Außenseiter ist«, sagte Harrison und nahm das Weinglas entgegen, das der Barkeeper ihm reichte.
»Ein wenig, ja«, stimmte sie noch immer sehr zurückhaltend zu.
»Mal sehen, vielleicht kann ich Ihnen die Sache erleichtern.« Harrison drehte sich zur Raummitte. »Alle Männer hier«, sagte er, »außer Robs Freund dort im schwarzen Jackett, waren an der Kidd Academy im Baseball Team. Bill und Jerry waren Zimmergenossen, aber das wissen Sie wahrscheinlich. Agnes und Nora, der der Gasthof gehört, haben ebenfalls zusammen gewohnt. Und Bridget und Bill waren ein Paar. Ich glaube, das sind alle. Die zwei Jungs da drüben gehören zu Bridget und Bill. Der eine ist Bridgets Sohn.«
»Danke«, sagte Julie. »Woher kommen Sie?«
»Aus Toronto. Ich arbeite in einem Verlag. Und hier«, Harrison hielt Agnes am Ärmel ihrer pinkfarbenen Kostümjacke fest, »ist Agnes O’Connor. Haben Sie sich schon kennengelernt?«
»Flüchtig«, sagte Julie.
Harrison beobachtete, wie Agnes und Julie einander musterten. Weißer Kaschmir. Wollgemisch von der Stange.
»Wo in New York leben Sie?« fragte Agnes.
»Wir haben eine Wohnung in Tribeca«, antwortete Julie kühl, und Harrison war ziemlich sicher, daß Agnes Tribeca nicht kannte. Harrison hätte Julie gern gefragt, welchen Beruf sie hatte, aber an eine Frau gerichtet klang die Frage nie unverfänglich, ganz gleich, wie man sie stellte. »Herrliches Wetter«, bemerkte er statt dessen.
Agnes zog Julie in ein Gespräch über Hockey, Harrison hätte Julie ein Interesse an diesem Sport nicht zugetraut. Vielleicht hatte sie eine Tochter, die spielte. Er beobachtete die Bewegungen der Menschen im Raum, wie sie sich trafen und wieder auseinandergingen, die Runde machten und erneut zusammenkamen. Die Ausrufe der Überraschung waren nun weitgehend verstummt. Er wäre am liebsten in sein Zimmer hinaufgegangen und erst zum Abendessen wieder herunterkommen. Er fühlte sich ähnlich wie bei den Vertreterkonferenzen, wenn er nach frischer Luft lechzte. Er verspürte einen Hauch von Langeweile im Raum, als hätten
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