Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)
alle genug von Teil eins und würden gern zu Teil zwei übergehen. Aber Harrison wußte, daß Teil zwei ohne Bridget nicht beginnen würde. Ihm war aufgefallen, daß Bill immer wieder aus dem Raum verschwunden war, manchmal eine längere Zeit. Auf der Suche nach Nora schaute er sich um und entdeckte sie durch eine geöffnete Flügeltür, die in einen Nebenraum führte. Ein weiß gedeckter Tisch, brennende Kerzen, weiße Blumen.
»Ist mit Bridget alles in Ordnung?« fragte er, als er das Zimmer betrat.
Nora prüfte gerade das Silber. »Sie wird gleich hier sein«, sagte sie. »Möchtest du noch etwas zu trinken?« fügte sie mit einem Blick auf sein leeres Glas hinzu.
»Nein. Danke. Jetzt nicht.«
»Zum Abendessen gibt es sehr gute Weine.«
»Du bist so eine Art Choreographin.«
»Ich – ich – ja, wahrscheinlich.«
Harrison sah Nora prüfend an. »Erzähl mir eine Geschichte«, sagte er unvermittelt – zu ihrer beider Überraschung.
»Welche?«
»Die von der Ehe mit Carl Laski.«
»Das wäre eine sehr lange Geschichte.«
»Ein gute?« fragte Harrison.
»Gut im Sinn von unterhaltend?«
»Nein. Gut im Sinn von, du hast ihn geliebt, er hat dich geliebt, und ihr habt fortan in Glück und Frieden zusammengelebt.«
»Ich weiß gar nicht, ob ich die Geschichte kenne«, sagte Nora leichthin.
Ihr Blick schweifte über seine Schulter hinweg, und er drehte sich um. An der offenen Tür stand, mit ungewöhnlich vollem hellbraunem Haar, Bridget Kennedy – schüchtern und verlegen. Als sie Nora sah, lächelte sie.
BRIDGET , die an der Tür zur Bibliothek stand, erkannte es in ihren Blicken. Unsicherheit. Bestürzung. Mitleid. Neugier. Ein Mann (Jerry Leyden?) begann Here Comes the Bride zu singen. Sofort war Bill an ihrer Seite und nahm sie beim Arm. Die Hochzeit, dieses Wiedersehen, eine unmögliche Idee, ein Fiasko. Die Leute lauter Fremde. Fremde. Was um alles in der Welt hatte sie sich nur dabei gedacht?
Nora umarmte sie, und Bridget war sicher, daß ihre ehemalige Schulkameradin den Panzer unter der grauen Wolle spürte.
Seit der Chemo litt Bridget an Hitzewellen, die sie ohne Vorankündigung überfielen und ihr, wie eben jetzt, Schweiß und Röte ins Gesicht trieben.
»Du siehst schön aus«, sagte Nora so leise, daß nur Bridget sie verstehen sollte. Sie entführte sie Bill und ging mit ihr zum Getränketisch. »Es gibt bald Essen«, sagte sie, »aber für einen Drink reicht die Zeit noch. Wir haben auch Sprudelwasser.«
»Dann nehme ich Wasser«, sagte Bridget, plötzlich durstig und ungewiß, was für eine Wirkung ein Glas Wein haben würde.
»Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht«, sagte Nora.
»Ich habe mich angezogen, dann hat mir nicht gefallen, was ich anhatte, und ich habe was anderes probiert …«
»Das kennen wir doch alle. Ist dein Zimmer in Ordnung?«
»Es ist wunderbar. Danke dir tausendmal.«
Nora winkte ab. »Matt und Brian haben einen gesunden Appetit«, meinte sie.
»Sie haben doch hoffentlich nicht die ganzen hors d’œuvres aufgegessen? Ich wollte ihnen noch sagen, daß sie sich zurückhalten sollen.«
Nora lächelte. »Es ist reichlich da.«
Matt, der sich von der Tafel entfernt hatte, tätschelte seiner Mutter ungeschickt die Schulter. »Hallo, Mama«, sagte er.
Tränen sprangen ihr in die Augen, als sie ihn so neben sich stehen sah, frisch gekämmt, sauber gewaschen, im korrekten Anzug. Sie drückte ihn flüchtig an sich, um die Rührung zu überspielen. »Ihr habt doch nicht etwa alles aufgegessen?« fragte sie in, wie sie hoffte, leicht tadelndem Ton.
Matt zuckte mit den Schultern.
Bridget sah Brian an und lächelte. »Hoffentlich langweilst du dich nicht«, sagte sie zu ihm.
»Nein, mir geht’s gut.«
Am Getränketisch bestellte Nora Mineralwasser für Bridget. »Das Essen heute abend ist nicht opulent«, sagte sie. »Es gibt eine Vorspeise, dann den Hauptgang, und danach müssen sich alle in Bewegung setzen und zu Kaffee und Nachtisch wieder in die Bibliothek hinübergehen. Da kannst du dann jederzeit unauffällig in euer Zimmer verschwinden, wenn du Ruhe brauchst.«
»Danke«, sagte Bridget. »Du hast –«
»Ich habe dich zwischen Bill und Matt gesetzt«, fuhr Nora eilig fort. »Aber das läßt sich ändern, wenn du lieber neben jemand anderem sitzen möchtest.«
»Nein«, sagte Bridget, etwas verwirrt über all die Entscheidungen, die da so fürsorglich für sie getroffen worden waren. »Nein, das klingt alles sehr gut.«
»Und jetzt werde ich
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