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Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition)

Titel: Eine Hochzeit im Dezember: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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aber sie trug ein Kleid, schwarz mit nicht zu tiefem V-Ausschnitt. Wieder mußte Harrison an Europäerinnen denken.
    »Bist du geflogen?« fragte Agnes.
    »Ja, es gibt einen Direktflug Toronto–Hartford.«
    »War es so schlimm, wie alle sagen? Ich bin seit dem elften September nicht mehr geflogen.«
    »Elend lange Schlangen. Abgesehen davon …«
    »Es mußte natürlich Portland sein, nicht? Wo das Unglück angefangen hat«, sagte Agnes. »Ich glaube, jeder in Maine fühlte sich verantwortlich.«
    »Da sind einige Köpfe gerollt …«
    »Also von Portland aus sollte man zur Zeit ganz sicher nicht fliegen«, warnte sie. »Die haben die längsten Wartezeiten in ganz Amerika. Fühlt ihr euch eigentlich in Kanada sicherer?«
    Harrison fiel auf, daß Agnes Schuhe trug, wie man sie bei ihr nicht erwartet hätte: hochhackig und sexy. Es hätte ihn interessiert, ob sie sie eigens für diese Gelegenheit gekauft hatte. »In Toronto? Nein, nein. Auch nicht.«
    Agnes schaute sich im Saal um. »Wo bleiben denn Bridget und Bill?«
    »Bill habe ich vorhin gesehen«, sagte Harrison.
    »Wer sind die beiden Jungs in Anzügen?«
    An der Tafel, auf der die hors d’œuvres standen, verschafften sich zwei halbwüchsige Jungen gerade einen Überblick. Wenn sie auch nur die geringste Ähnlichkeit mit seinen eigenen Jungen hatten, würden sie erst wieder verschwinden, wenn sie sich gründlich satt gegessen hatten.
    »Ich glaube, der eine ist Bridgets Sohn, und der andere wird wohl sein Freund sein. Ich weiß nur nicht, wer wer ist.«
    »Der arme Bill«, sagte Agnes, und Harrison wußte nicht, ob sie davon sprach, daß Bills Familie zur Hochzeit nicht kommen würde, oder von Bridgets Krankheit. »Ich hoffe, es geht ihr gut«, fügte sie hinzu, wie um Harrisons Frage zu beantworten. »Ich hole mir noch etwas zu trinken. Möchtest du auch etwas?«
    »Im Moment nicht, danke.«
    Nora stand immer noch bei der Tür. Harrison näherte sich ihr. »Ein köstlicher Wein«, sagte er, als er bei ihr war. »Das Glas gefällt mir auch.«
    »Ich kaufe sie auf Flohmärkten. Ich habe Unterricht genommen. In Sachen Wein.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, auf einem Weingut, nicht weit von hier.«
    »Ich wußte gar nicht, daß in Neuengland Wein produziert wird.«
    »Es – es gibt viele kleine Weingüter, über Vermont, Massachusetts und Connecticut verteilt. Einige dieser Weine sind sehr gut.«
    »Bist du glücklich?« fragte er.
    Sie überlegte einen Moment. »Nicht ekstatisch. Wie vorhin. Der Tag ist fast vorbei. Aber ich freue mich, euch alle hier zu haben. Nach so langer Zeit.«
    »Ist das deine Cocktails-in-der-Bibliothek-Uniform?« fragte er mit einer Handbewegung zu ihrem Kleid.
    Nora zuckte mit den Schultern.
    Harrison war sich eines brennenden und ungehörigen Verlangens bewußt, die bloße Haut ihres Arms zu berühren. »Agnes und ich haben uns eben gefragt, wo Bridget eigentlich ist. Sie ist doch gut angekommen?«
    »O ja. Sie ist noch in ihrem Zimmer. Sie ist schüchtern. Erinnerst du dich, daß sie schüchtern war?«
    »Ich erinnere mich, daß sie von Bill nicht zu trennen war.«
    »Alle glauben, daß Bill das hier für Bridget tut, weil sie vielleicht bald sterben wird«, sagte Nora. »Aber der wahre Grund ist, daß er es nie verwunden hat, sie so schrecklich verletzt zu haben. Als er auf dem College mit ihr Schluß machte und mit Jill anfing. Ich habe sie nie kennengelernt. Jill, meine ich.«
    »Soweit ich mich erinnere, ist Jill eine unglaublich attraktive Frau mit einer gesunden manipulativen Ader. Gut möglich, daß Bill da gar keine Chance hatte.«
    »Er meint, er und Bridget hätten jetzt eine.«
    »Ich hoffe, das trifft zu.« Harrison hielt inne. »Ich hoffe, es trifft für uns alle zu.«
    Nora lächelte.
    »Wie war die Probe?« fragte Harrison.
    »Die Braut fing aus unerfindlichen Gründen zu weinen an.«
    »Du trinkst keinen Alkohol?« Harrison wies auf Noras Glas mit Sprudelwasser.
    »Ich bin im Dienst.«
    »Das ist aber unfair.«
    »Na ja, ich mache halbe, halbe. Zum Essen trinke ich ein Glas Wein.« Sie strich sich das Haar hinters Ohr. »Erzähl mir eine Geschichte«, sagte sie.
    »Worüber denn?«
    »Eine kleine Geschichte. Ich habe nicht viel Zeit.«
    »Hier?« fragte Harrison.
    Nora nickte.
    »Okay. Hm. Laß mich überlegen …« Harrison hielt inne. »Okay, hier kommt die Geschichte«, begann er mit der Absicht, sie bei ihrem eigenen Spiel zu schlagen. »Als ich noch an der Kidd war, machte ich eines Sonntags einen

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