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Eine Idee des Doctor Ox

Eine Idee des Doctor Ox

Titel: Eine Idee des Doctor Ox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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verbinden und die Hugenotten, deren religiöse Ansichten sie übrigens theilen, zu vernichten. Bravorufe ertönen,
     die Schauspieler werden hervorgerufen, ein wahrer Beifallssturm bricht los! Tatanémance schwenkt mit fiebernder Hand ihre
     apfelgrüne Haube, die Lichter im Saal verbreiten einen fast sprühenden Glanz.
    Raoul soll langsam den Vorhang lüften, aber er reißt ihn mit stolzer Geberde mitten entzwei und steht Auge in Auge Valentine
     gegenüber.
    Das große Duett ist herangekommen und wird Allegro vivace durchgeführt. Raoul nimmt sich nicht die Zeit, auf Valentinens Fragen
     zu warten, und Valentine wiederum wartet nicht auf die Antworten Raoul's. Die köstliche Stelle:
    »Es droht den Brüdern das Verderben;
O, laß mich, laß mich fort von hier!«
    wird zu einer raschen Galopade, wie Offenbach sie liebt, wenn er seine Verschwörer tanzen läßt; das Andante amoroso :
    »Du liebest mich! Du liebest mich!
O welch ein Glück
Dies Himmelswort aus Deinem Munde!«
    kann nur noch ein Vivace furioso genannt werden, und das Violoncell des Orchesters giebt sich keine Mühe mehr, der Stimme des Sängers in ihren Biegungen zu
     folgen, wie es in der Partitur angegeben ist. Raoul ruft zwar:
    »Du sprichst es und ich hör' es gar zu gern,
Dies Geständniß Deiner Liebe«,
    aber Valentine kann nicht weiter sprechen; man fühlt, daß Raoul von einem ungewohnten Feuer verzehrt wird. Seine hohen Töne
     h und c haben einen erschrecklichen Klang; er arbeitet sich ab, gesticulirt, steht förmlich in Flammen.
    Die Lärmglocke erschallt, aber wie merkwürdig keuchend. Der Läutende hat augenscheinlich keine Gewalt mehr über sich und zwingt
     den Ton zu einer Heftigkeit, die mit der Raserei des Orchesters rivalisirt.
    Endlich geht die Stretta:
    »Keine Rettung giebt es mehr!
Durch die dunkle Nacht erschallen
Rachestimmen zu uns her«,
    die den prächtigen Act endigen soll, und die der Componist Allegro con moto bezeichnet, in einem zügellosen Prestissimo , wie ein vorüberfahrender Courierzug, auf und davon. Die Sturmglocke ertöntvon Neuem, Valentine sinkt ohnmächtig zusammen, und Raoul stürzt zum Fenster hinaus!
    Es war hohe Zeit zum Schluß der Vorstellung; das Orchester hätte vor unbegreiflicher Trunkenheit nicht weiter spielen können;
     der Stab des Dirigenten war zu einem Stück Holz geworden, mit dem er auf dem Souffleurkasten herumhämmerte; die Geigensaiten
     sind gesprungen, die Griffe verdreht, die Pauke platzte unter der wüthenden Bearbeitung des Paukenschlägers, und der Contrebassist
     thront oben auf seinem wohlklingenden Gebäude. Die erste Clarinette hat das Mundstück ihres Instruments hinuntergeschluckt,
     und der zweite Hautboist zerkaut seine Rohrzüngelchen zwischen den Zähnen. Die Coulisse an der Posaune ist verbogen, und der
     unglückliche Hornist endlich kann seine Hand nicht mehr zurückziehen; er hat sie im Eifer des Spiels zu tief in die Stürze
     seines Horns hineingesenkt.
    Und das Publicum? Das Publicum keucht, gesticulirt, heult! alle Gesichter erscheinen in einem sonderbaren, rothen Lichte,
     wie wenn die Körper innerlich von Brand verzehrt würden. Man stößt einander, um hinauszukommen; die Männer vergessen ihre
     Hüte, die Frauen ihre Mäntel; man drängt sich in den Gängen, streitet sich und schlägt auf einander los. Keine Autorität gilt
     mehr! Der Bürgermeister wird nicht mehr beachtet; nur eine wahrhaft infernalische Ueberaufregung allenthalben ...
    Einige Augenblicke später, als das Publicum sich wieder auf der Straße befindet, gewinnt ein Jeder die gewohnte Ruhe wieder
     und kehrt friedlich in sein Haus zurück, nur eine verworrene Erinnerung an die Vorgänge im Schauspielhause ist zurückgeblieben.
    Der vierte Act der »Hugenotten«, der ehemalssechs ausgeschlagene Stunden zu seiner Aufführung in Anspruch nahm, war heute bereits zwölf Minuten vor fünf Uhr zu Ende.
    Er hatte genau achtzehn Minuten gedauert.

Achtes Capitel,
in dem der antike, feierliche, deutsche Walzer sich in einen raschen Wirbel umwandelt.
    Wenn die Theaterbesucher, nachdem sie zu Hause angekommen waren, ihre gewohnte Ruhe wieder erlangten und nur eine Art vorübergehender
     Abstumpfung fühlten, hatten sie nichtsdestoweniger eine enorme Aufregung durchgemacht, und vernichtet und zerschlagen, als
     hätten sie sich eine Ausschweifung bei Tafel zu Schulden kommen lassen, sanken sie auf ihr Lager nieder.
    Am folgenden Tage hatte natürlich Jeder eine gewisse traumhafte Rückerinnerung an die

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