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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der Steine, die jetzt am Strand liegen, ist ein Pferd eingraviert. Und wer sollte schon ein Pferd hierherbringen? Aber die Darstellungen auf diesen Reliefs hier kenne ich nicht, also habe ich mir überlegt, ob dieser Teil vielleicht so etwas wie ein Alphabet sein könnte – A wie Apfel und so weiter. Aber hier sind auch überall diese Linien und Punkte zu sehen, so dass ich damit auch völlig falschliegen könnte. Und schau mal, wie oft hier Hände abgebildet sind! Sie dienen ganz bestimmt zum Größenvergleich.
    Und da drüben…« Und so weiter und so fort, bis sie ihren Monolog schließlich mit einer kühnen Behauptung endete: »Und ich bin mir sicher, dass sie ein Teleskop hatten.«
    »Ganz bestimmt nicht! Gibt es davon etwa ein Relief?«
    »Das nicht. Aber viele Tafeln fehlen.« Dann erzählte sie ihm von den Söhnen des Jupiter und dem Gürtel des Saturn.
    Er schien nicht sehr beeindruckt und tätschelte ihre Hand.
    »Oder der Himmel war in früheren Zeiten klarer, oder es gab jemanden mit außergewöhnlich guter Sehkraft.«
    »Aber ich habe eine plausible wissenschaftliche Erklärung gefunden!«
    Ihr Vater schüttelte den Kopf. »So sehr ich dich liebe, aber das ist nur eine Vermutung. Und, lass mich dir das sagen, eine Hoffnung. Du musst härter daran arbeiten, mein Mädchen.«
    Ach so, jetzt kommen wieder die Streitgespräche, die wir so oft auf dem Heimweg von der Royal Society hatten, dachte Daphne. Ich werde also kämpfen müssen. Sehr gut!
    Sie zeigte auf die Götter.
    »Sie glänzen, weil sie mit winzigen Glasplättchen besetzt sind«, sagte sie. »Gehalten werden sie von Bleinägeln. Einer der Jungen ist für mich hinübergeschwommen und hat es sich angesehen. Diese Menschen wussten, wie man gutes Glas macht!«
    Ihr Vater, der mit dem Rücken gegen den kühlen Stein gelehnt da saß, nickte. »Das ist recht wahrscheinlich. Viele Kulturen kannten Glas. Wir haben hier den Anfang einer Hypothese, aber du hast deinen Linsenschleifer noch nicht gefunden.«
    »Papa, mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass ein Glaser früher oder später eine Luftblase in dem Glas bemerkt und sieht, wie das Licht…«
    Ihr Vater hob eine Hand. »Die Wissenschaft interessiert sich nicht für den ›gesunden Menschenverstand‹«, sagte er. »Für den gesunden Menschenverstand ist völlig klar, dass die Erde flach ist. Unser Wissen dagegen sagt uns, dass die Römer einfache Linsen verwendeten und dass Brillen nicht vor dem dreizehnten Jahrhundert erfunden wurden. Mutmaßlich gilt der Italiener Salviano d’ Armati als…«
    »Warum stellst du immer so sehr die Nordhalbkugel in den Mittelpunkt?«, sagte Daphne. »Stell die Welt auf den Kopf!«
    Sie zog ihren Vater zur Wand neben dem Globus und zeigte auf ein Relief. »Du erinnerst dich, dass sie gerne darstellen, wie Dinge von Händen gehalten werden?« Sie hob die Lampe.
    »Da! Sieht das nicht verblüffend nach einer Brille aus?«
    Er nahm die Illustration kritisch in Augenschein wie jemand, der sich zwischen Kuchen und Torte entscheiden musste.
    »Es wäre denkbar«, sagte er schließlich, »aber es könnte auch eine Maske oder eine Waage sein – oder etwas mit unbekannter religiöser Bedeutung. Leider muss ich dir sagen, dass es dir auch nicht weiterhilft.«
    Daphne seufzte. »Aber wenn ich einen Beweis finde, dass sie Linsen kannten, würdest du mir dann zustimmen, dass sie vielleicht wussten, wie man ein Teleskop baut?«
    »Ja, das wäre plausibel. Allerdings wäre ich nicht überzeugt davon, dass sie es getan haben, sondern nur, dass sie es hätten tun können.«
    »Komm mit.«
    Diesmal führte sie ihn auf die andere Seite der Götter, zu einer Wandnische, aus der die weiße Steintafel herausgefallen war.
    »Einer der Jungen hat sie im Schlick am Grund des Götterteichs gefunden. Das eine Glas ist zerbrochen, und das andere hat einen Riss, aber man kann deutlich erkennen, dass es Linsen waren. Sei vorsichtig.« Sie legte sie ihm behutsam in die Hand.
    Er blinzelte. »Eine Brille mit Goldrand…«, hauchte er.
    »Habe ich jetzt meine Teleskop-Hypothese bewiesen, Papa?«, sagte sie zufrieden. »Wir wissen, dass es nur ein kleiner Schritt von der Brille zum Fernrohr ist.«
    »Zumindest in einem historischen Präzedenzfall. Warum hast du sie mir nicht gleich gezeigt?«
    »Ich wollte nur, dass du mir korrektes wissenschaftliches Arbeiten bescheinigst!«
    »Gut gemacht«, sagte Seine Exzellenz. »Du hast in der Tat eine bezwingende Hypothese aufgestellt, aber zu meinem

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