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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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man hungrig einschlief. Er wollte diese Träume nicht. Immer ging es um dunkles Wasser und etwas, das ihn jagte.
    Die Felder waren restlos mit Schlamm und Sand bedeckt, aber viel schlimmer war, dass die Welle die Dornenhecken niedergerissen hatte und die Schweine offensichtlich über die Felder hergefallen waren, während Mau die Nacht in der Gefangenschaft seiner Träume verbracht hatte. Vielleicht war in dem Matsch noch irgendetwas übrig, wenn er lange genug grub, aber ein Mensch aß eigentlich nicht, wo ein Schwein gefressen hatte.
    Auf der Insel gab es jede Menge essbarer Wildpflanzen: Kopfüberfrüchte, Unglückswurzel, Malla-Stiele, Rotsternbaum, Papierrebennüsse… damit würde man am Leben bleiben, aber vieles davon musste man sehr lange kauen, und selbst dann schmeckte es, als hätte es schon mal jemand gegessen. Menschen aßen Fisch oder Schwein, aber die Lagune war immer noch trüb, und seit seiner Rückkehr hatte er keine Schweine gesehen. Außerdem waren sie hinterlistig. Ein einzelner Mann konnte vielleicht Glück haben, dass ihm im unteren Wald ein Schwein über den Weg lief, das dort in der Nacht Krabben fressen wollte, aber im oberen Wald brauchte man viele Männer, um ein Schwein zu fangen.
    Er fand ihre Spuren, sobald er den Wald betrat. Schweine hinterließen immer Spuren. Aber diese waren frisch, also stocherte er darin herum, um zu sehen, wonach sie gesucht hatten. Er fand einige Wahnwurzeln, groß, weiß und saftig. Wahrscheinlich waren die Schweine von den Feldfrüchten dermaßen vollgefressen, dass sie nur aus reiner Gewohnheit ein wenig herumgewühlt hatten, bis sie merkten, dass in ihren Bäuchen wirklich kein Platz mehr war. Wahnwurzeln mussten geröstet werden, bevor man sie essen konnte, weil man ansonsten wahnsinnig wurde. Schweine fraßen sie roh, aber die merkten es vielleicht gar nicht, wenn sie durchdrehten.
    Es gab keinen trockenen Zunder. Überall lagen zwar morsche Äste herum, aber sie waren regelrecht aufgeweicht. Außerdem – dachte er, als er die Wurzeln auf einen Papierrebenstrang fädelte – hatte er immer noch keine Feuersteine gefunden, ganz zu schweigen von trockenem Feuerholz.
    Opa Nawi, der wegen seines krummen Beins nicht mit den anderen auf Raubzüge gegangen war, hatte die Jungen manchmal zum Fährtenlesen und Jagen mitgenommen. Dabei hatte er oft über den Papierrebenstrauch gesprochen. Der wuchs überall und hatte lange Blätter, die unglaublich zäh waren, selbst in knochentrockenem Zustand. »Wenn ihr der Länge nach an einem Streifen der Rebe zieht, ist die Kraft von zwei Männern nötig, um ihn zu zerreißen. Aber wenn ihr fünf Streifen zu einem Seil flechtet, hält es hundert Männern stand. Je mehr die Männer ziehen, desto mehr verbinden sich die einzelnen Fasern miteinander und desto stärker wird das Seil. Genauso ist es mit der Nation.«
    Hinter seinem Rücken lachten sie über ihn, weil er so humpelte, und nahmen seine Worte nicht besonders ernst, denn was konnte ein alter Mann mit einem krummen Bein schon Wichtiges zu sagen haben? Aber wenn sie lachten, achteten sie darauf, dass sie es recht weit hinter seinem Rücken taten, weil Nawi immer dieses leise Lächeln auf den Lippen hatte und seine Miene zu sagen schien, dass er längst viel mehr über einen wusste, als man selbst überhaupt ahnte.
    Mau bemühte sich, nicht allzu viel zu lachen, weil er Nawi gern hatte. Der alte Mann beobachtete den Flug der Vögel und kannte immer die besten Plätze zum Fischen. Er kannte sogar das Zauberwort, mit dem man Haie vertrieb. Aber nach seinem Tod wurde er nicht sorgsam im heißen Sand getrocknet und dann in die Höhle der Großväter gebracht. Und zwar deshalb, weil er mit einem Bein geboren worden war, auf dem er nicht richtig laufen konnte, was bedeutete, dass er von den Göttern verflucht war. Dafür konnte er sich einen Finken ansehen und sagen, auf welcher Insel er aus dem Ei geschlüpft war. Er beobachtete Spinnen, wie sie ihre Netze knüpften, und bemerkte Kleinigkeiten, die andere Leute gar nicht wahrnahmen. Als Mau jetzt darüber nachdachte, fragte er sich, wie die Götter solch einen Menschen verfluchen konnten. Schließlich war er so auf die Welt gekommen. Was konnte ein Baby angestellt haben, um den Zorn der Götter auf sich zu lenken?
    Eines Tages nahm Mau all seinen Mut zusammen und fragte ihn danach. Nawi saß draußen auf den Felsen und sah gelegentlich aufs Meer hinaus, während er etwas schnitzte. Aber er hatte Mau einen Blick zugeworfen,

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