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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hisste?
    Dann sah sie ihn, wie er grün schimmernd auf die lange Reihe der Großväter zeigte.
    Als Daphne näher kam, bemerkte auch sie den weißen Stein an der Tunnelwand. Darauf saß ein Großvater, als wäre er ein Häuptling, doch er hatte genau wie die anderen seine Arme um die Knie geschlungen. Und er blickte in den Gang hinein, vom Höhleneingang weg, ins Unbekannte.
    Hinter ihm – oder davor – setzte sich die Reihe toter Krieger fort, alle nun mit Blick in die andere Richtung. Worauf eigentlich? Jetzt jedenfalls hatten sie das Tageslicht im Rücken.
    Maus Augen funkelten, als Ataba herangehumpelt kam.
    »Weißt du, warum sie alle in die falsche Richtung blicken, Ataba?«, fragte er.
    »Es sieht aus, als würden sie uns vor etwas beschützen«, sagte der Priester.
    »Hier unten? Wovor? Außer Dunkelheit gibt es hier nichts.«
    »Aber vielleicht etwas, das lieber vergessen bleiben sollte? Glaubst du, es hätte noch nie zuvor eine Welle gegeben? Beim letzten Mal jedoch blieb sie einfach da. Eine ewige Flut beendete die Welt.«
    »Das ist nur eine Geschichte. Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter sie mir erzählt hat«, sagte Mau.
    »Jeder kennt sie: ›Zu einer Zeit, als alles anders war und der Mond noch nicht derselbe… wurden Imo die Menschen lästig, und Er spülte sie mit einer großen Welle fort.‹«
    »Gab es eine Arche? Ich meine, äh, so etwas wie ein sehr großes Kanu?«, sagte Daphne. »Oder wie konnte irgend wer überleben?«
    »Ein paar Leute waren auf dem Meer oder auf einem hohen Berg«, sagte Mau. »So heißt es doch in der Geschichte, nicht wahr, Ataba?«
    »Was hatten die Menschen denn Schlimmes getan?«, fragte Daphne.
    Ataba räusperte sich. »Es heißt, sie versuchten, selbst zu Göttern zu werden.«
    »Stimmt«, bestätigte Mau. »Ich frage mich nur, ob du mir auch sagen kannst, was wir diesmal falsch gemacht haben.«
    Ataba zögerte.
    Mau nicht. Er sprach klar und deutlich, mit flinker Zunge:
    »Ich rede von meinem Vater, meiner Mutter, meiner ganzen Familie, meiner ganzen Nation! Sie sind alle tot! Ich hatte eine Schwester, die sieben Jahre alt war. Nenn mir nur einen einzigen Grund. Es muss doch einen Grund geben! Warum haben die Götter sie sterben lassen? Ich habe ein Baby gefunden, das in einem Baum hing. Womit hat es die Götter beleidigt?«
    »Wir sind klein und unwissend. Wir können das Wesen der Götter nicht begreifen«, sagte Ataba.
    »Nein! Das glaubst du doch selbst nicht. Ich höre es in deiner Stimme! Ich kenne auch das Wesen eines Vogels nicht, aber ich kann ihn beobachten und ihm zuhören und etwas über ihn lernen. Machst du es mit den Göttern nicht genauso? Wo sind die Regeln? Was haben wir falsch gemacht? Sag es mir!«
    »Ich weiß es nicht! Glaubst du, ich hätte sie nicht danach gefragt?« Tränen rollten Ataba über die Wangen. »Denkst du, ich habe allein gelebt? Seit der Welle habe ich meine Tochter und ihre Kinder nicht mehr gesehen. Hörst du, was ich sage? Hier dreht sich nicht alles nur um dich! Ich beneide dich um deinen Zorn, Dämonenjunge. Er füllt dich aus! Er nährt dich, er gibt dir Kraft. Doch wir anderen suchen nach Gewissheit, und die gibt es nicht. Trotzdem wissen wir in unseren Köpfen, dass da… etwas sein muss, irgendein Grund, ein Muster, eine Ordnung. Also rufen wir die stummen Götter an, weil sie immer noch besser sind als die Finsternis. Das ist alles, Junge. Ich kann dir keine Antworten geben.«
    »Dann werde ich in der Finsternis danach suchen«, sagte Mau und hob seine Lampe. »Wir gehen weiter. Folge uns«, setzte er etwas leiser hinzu.
    Atabas Tränen glänzten im Licht seiner roten Lampe. »Nein«, sagte er heiser.
    »Dann müssen wir dich hier zurücklassen«, sagte Mau. »Zwischen den toten Männern, aber ich glaube nicht, dass dies der richtige Ort für dich ist. Du solltest lieber mitkommen. Schließlich hast du einen Dämon und einen Geist an deiner Seite. Außerdem könnten wir deine Weisheit gut gebrauchen.«
    Zu Daphnes Überraschung lächelte der alte Mann. »Du glaubst, ich hätte noch welche übrig?«
    »Aber sicher. Gehen wir jetzt? Du wirst hier kaum etwas finden, das schlimmer ist als ich.«
    »Ich würde gerne etwas fragen«, sagte Daphne schnell. »Wie oft wird hier ein neuer Großvater bestattet?«
    »Ein- oder zweimal in fünfzig Jahren«, sagte Ataba. »Hier sind Tausende. Bist du dir sicher?«
    »Diesen Ort gibt es, seit die Welt gemacht wurde, und seitdem gibt es auch uns«, sagte Mau.
    »In diesem

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