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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Baby so schnell wie möglich abtreiben und dann nach Hause kommen. Solange niemand davon wußte, war kein Schaden angerichtet. Sie war jung genug, um immer noch einen respektablen Ehemann zu finden. Und wenn sie respektabel sagen, dann meinen sie vermögend.‹
    ›Wann war das? Erinnern Sie sich daran?‹
    ›Ja. Sie hat mich am 8. Mai angerufen und gesagt, daß sie am nächsten Tag einen Termin im Krankenhaus hätte, genau an dem Tag, an dem ich nach Tokio fliegen wollte. Ich wünschte, ich hätte nicht fliegen müssen. Sie litt schrecklich, war verzweifelt, konnte vor lauter Weinen kaum noch sprechen und entschuldigte sich dafür, daß sie mich in einer solchen Verfassung anrief. Ich weiß, es gibt Frauen, die lassen abtreiben, ohne einen zweiten Gedanken daran zu verschwenden, aber wenn sie den Vater des Kindes lieben …
    Wenn Sie die beiden zusammen gesehen hätten, würden Sie begreifen. Einmal haben sie uns zwei Tage besucht – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll – sie haben irgendwie alles in ihrem Umkreis ein wenig strahlender erscheinen lassen. Jeder, der sie sah, reagierte darauf, selbst Mario unten in der Trattoria. Er hat uns eine Flasche Sekt spendiert, um auf sie anzustoßen.
    Agli innamorati!
    Ich glaube nicht, daß sie mehr als einen Schluck davon getrunken haben. Sie waren trunken von einander und so unschuldig wie zwei Kinder.‹
    Ich bin mir sicher, daß er sich wirklich Sorgen um sie machte, Capitano. Er war todunglücklich, als ich ihm erzählt habe, was passiert ist. Und doch hat er gleich protestiert und ihn in Schutz genommen: ›Aber Sie glauben doch nicht, daß Enzo …?‹
    ›Ich weiß es nicht.‹
    ›Als ich aus Tokio zurückgekommen bin, hat er auf mich gewartet. Mario, dem die Trattoria unten gehört, hat gesagt, daß er sich seit Tagen hier herumgetrieben und auf mich gewartet hat. Mario hat immer meine Ersatzschlüssel und wußte, wann ich wieder zurück sein würde. Wenn Sie gesehen hätten, in welchem Zustand er war …‹
    ›Ich habe es gesehen.‹
    ›Ja, natürlich. Entschuldigung. Mario machte sich Sorgen.‹ Er hat ihm richtig Angst eingejagt, hat er gesagt. Wollte von ihm wissen, ob seine Freundin hier gewesen sei – natürlich hatte Mario sie gesehen, aber er hat nein gesagt. Der Mann sah bedrohlich aus. Er meinte, es ginge ihn ja nichts an, aber wenn da irgend etwas liefe zwischen mir und diesem japanischen Mädchen, dann solle ich mich besser öfter mal umschauen. Ich habe ihm gesagt, daß da nichts sei, daß Enzo nur schrecklich durcheinander sei, weil sie ihn verlassen hatte, das war alles. Schauen Sie sich in nächster Zeit trotzdem regelmäßig um, hat er mir geraten, weil er in seinem Leben schon einiges erlebt habe, und dieser Mann würde mit Sicherheit irgend etwas Drastisches unternehmen. Nun, er hatte recht. Als ich Enzo am nächsten Tag die Tür öffnete, war mir das sofort klar. Sein Gesicht war kalkweiß, die Augen glühten. Er sagte mir, er wisse, daß sie hier gewesen sei. Woanders könne sie nicht sein. ›Sie ist hier gewesen, nicht wahr?‹
    Er sah wirklich schrecklich aus. Ich bat ihn herein, er sollte sich setzen und sich erst einmal ein wenig beruhigen. Ich sagte, daß sie Zeit haben würden, alles noch einmal in Ruhe zu bereden, wenn sie erst einmal die Abtreibung verkraftet hätte. Ich wollte ihn beruhigen.
    ›Ganz egal, wie schlimm es jetzt aussieht, das ist nicht das Ende der Welt. Sie hat schreckliche Angst bekommen, kannst du das nicht verstehen? Sie hat sich gefangen gefühlt, in einer Falle. Aber sie liebt dich, da bin ich mir sicher. Am Ende wirst du sie überzeugen, wenn du jetzt nur die Ruhe bewahrst. Ihr werdet schon noch heiraten. Ihr werdet andere Kinder bekommen. Jetzt komm doch endlich rein, damit ich dir einen Kaffee oder sonst etwas kochen kann.‹
    Aber er wollte nicht reinkommen. Ich glaube, er hat nicht einmal zugehört. Er sagte nur, daß sie ihn gehaßt haben mußte. Wenn ich an seinen Gesichtsausdruck denke, kann ich mir gut vorstellen, daß er sich selbst umgebracht hat. Als er von hier weggegangen ist, kam er mir vor wie ein Schlafwandler in einem Alptraum. Er kann es nicht gewesen sein. Oder?«
    Der Maresciallo legte eine Pause ein, starrte den Capitano an, wollte ihn zwingen zu verstehen. Aber er selbst befand sich gerade in einem Alptraum, er konnte es nicht erklären.
    »Sie wären schon miteinander klargekommen. Sie waren einfach nur jung und brauchten Hilfe. Sie war so weit weg von zu Hause und hatte hier

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