Eine Japanerin in Florenz
heiraten!«
»Nein, nein. Er hat recht. Die Frage muß geklärt werden. Der Maresciallo weiß das, und er wird es uns nicht übelnehmen, daß wir fragen.«
»Was weißt denn du schon?«
»Laßt ihn weitersprechen. Wir alle haben heute noch zu arbeiten.«
Der Maresciallo wartete, bis sie sich gegenseitig niedergeschrien hatten und wieder bereit waren, weiter zuzuhören. Er hatte heute auch noch einiges zu erledigen, aber er war jetzt ganz ruhig und ging stetig vorwärts. Er mußte zunächst ihre Neugier über Espositos Tod zufriedenstellen, dann erst würde er hören, was sie ihm zu erzählen hatten. Er räusperte sich und erstickte damit die letzten murmelnd geführten Unterhaltungen.
»Esposito hatte Sonderurlaub bekommen, um seine Mutter in Neapel zu besuchen.«
Er mußte ehrlich zu ihnen sein. Er wollte es eigentlich nicht sagen, aber er brauchte ihr Vertrauen, und auf diese Art würden sie nicht umhinkönnen, es ihm zu schenken.
»Er hatte uns erzählt, seine Mutter sei krank. Das war gelogen.«
Wieder erhob sich Gemurmel, aber niemand erdreistete sich zu einem lauten Kommentar. Es hatte funktioniert. Jegliche Zurückhaltung war dahingeschmolzen. Wie Kinder, die einer Gutenachtgeschichte lauschen, starrten sie ihn mit großen Augen an.
»Er nahm den Zug nach Neapel, wie er es gesagt hatte, stieg aber in Rom aus. In Anbetracht der Lüge, die er uns über den Gesundheitszustand seiner Mutter aufgetischt hat, können wir davon ausgehen, daß Rom von vorneherein sein eigentliches Ziel gewesen ist. Er wollte einen Freund von Akiko aufsuchen. Er war schrecklich aufgeregt und durcheinander und hat diesem Freund kaum mehr erzählt, als ›daß alles aus sei‹. Einige von Ihnen wissen vielleicht schon, daß Akiko schwanger gewesen ist. Aber sie wollte dieses Kind nicht bekommen und hatte sich einen Termin für eine Abtreibung geben lassen. Das alles läßt Esposito nicht gerade gut dastehen, aber ich hoffe sehr, daß Sie mir nun glauben, daß wir nichts unter den Teppich kehren wollen.«
Er hielt inne und warf einen Blick auf Peruzzi. Die meisten Männer in dem Raum drehten sich ebenfalls zu ihm um. Mit Rücksicht auf Peruzzis angegriffenes Herz hatte er ihm bereits vor der Ankunft der anderen alles erzählt. Es mußte alles in der richtigen Reihenfolge erledigt werden, auf geradem Weg und ohne Verzögerung. Und obwohl er es ihm so schonend wie möglich beigebracht hatte, mußte Peruzzi sich vorhin doch hinsetzen und war leichenblaß.
»Nein, o nein. Keine Abtreibung. Sie muß gewußt haben, daß das keine Lösung sein kann«, sagte Peruzzi.
»Ja, ich glaube, das wußte sie. Ihr Freund in Rom hat erzählt, daß sie völlig durcheinander war. Ganz und gar durcheinander.«
»Stunde um Stunde saß sie da und hat gearbeitet, während ihr die Tränen auf die Hände tropften. … Kein Wunder. Sie konnte es mir nicht erzählen. Ein Mädchen braucht bei sowas seine Mutter.«
»Hmm.« Der Maresciallo zog es vor, nicht weiter darauf einzugehen.
Jetzt schwieg Peruzzi, schaute hinab auf seine Hände. Die anderen Männer wandten ihre Aufmerksamkeit wieder dem Maresciallo zu.
Lapos Frau, in weißer Schürze und mit Kochmütze, lehnte an der Türzarge der hell erleuchteten Küche und hörte ebenfalls zu.
»Ein paar Tage lang wurde er vermißt. Weil Toshimitsu, das ist Akikos Freund, zu einer Hochzeit nach Tokio geflogen war. Esposito trieb sich in Rom herum, wartete auf ihn. Wir wissen allerdings nicht, wo er übernachtet hat. Als Toshimitsu zurückgekehrt war, versuchte er, Esposito zu beruhigen, hatte aber keinen Erfolg.«
»Und warum hat er sich dann umgebracht?«
»Weil er ein schlechtes Gewissen hatte. Er hat sie schließlich umgebracht, oder etwa nicht?«
»Wie kommst du denn auf die Idee? Woher willst du das wissen?«
»Er wollte sie heiraten. Du gehst doch nicht plötzlich hin und bringst die Person um, die du eigentlich heiraten wolltest.«
»Und was ist mit der Abtreibung? Sie hat gesagt, sie will das Kind nicht. So etwas würde jeden Mann fuchsteufelswild machen. Das könnte ein Motiv sein, habe ich recht, Maresciallo?«
»Genau das ist der Punkt! Woher sollte er wissen, wessen Kind das war, das ist die entscheidende Frage.«
»Jetzt reicht’s aber. Wir alle haben Akiko gekannt.«
»Ihr habt nicht mit ihr im Sandkasten gespielt, wie man so schön sagt. Man kann nie wissen, was alles in einem Menschen steckt … Was ist mit diesem jungen Mann – wie war noch sein Name – in Rom? Wie können wir
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