Eine Japanerin in Florenz
Peruzzis Werkstatt ging.«
»Und Sie, Peruzzi, waren so sauer auf mich, als ich mich das erste Mal nach ihr erkundigte, weil ich die gleichen Fragen gestellt habe wie er. ›Woher soll ich wissen, wo sie ist? Wie vielen von euch muß ich das denn noch sagen?‹ Das war’s doch, was Sie mir zugerufen hatten, nicht wahr?«
»Keine Ahnung. Sie war weg, und ich war sauer.«
»Aber Sie haben ihm gesagt, daß sie vielleicht in Rom ist oder sogar in Tokio, wie mir auch, oder?«
»Weiß ich nicht mehr. Ich war stinkwütend.«
»Versuchen Sie bitte, jetzt nicht wütend zu werden. Setzen Sie sich. So ist es besser. Bitte versuchen Sie, sich zu erinnern. Hat er Sie gefragt, ob Sie wissen, wo sie hin ist?«
»Nein!«
»Was dann?«
»Gar nichts! Er hat mich nichts gefragt. Ich wußte, daß er sie suchte. Natürlich suchte er sie. Aus welchem Grund sollte er sonst bei mir auftauchen? Ich habe ihm gesagt, daß ich mir nur vorstellen könne, daß sie vielleicht nach Rom gefahren ist, wie Ihnen auch, und wenn sie da nicht steckt, ist sie wohl dorthin zurückgekehrt, wo sie herkam. Ich konnte ihm nicht helfen. Er stand da, als hätte ihm jemand mit einem Ziegelstein eine übergezogen. Er stand einfach nur da.«
»Er hat Sie nichts gefragt? Er hat nichts gesagt?«
»Sage ich doch! Er stand einfach nur da!«
»Schon gut, schon gut, beruhigen Sie sich. Bitte, beruhigen Sie sich. Er muß sich doch vorgestellt haben, gesagt haben, wer er ist. Sie hatten ihn doch noch nie zuvor gesehen.«
»Ich wußte sofort, wer er war! Ich habe ein Dutzend Fotos von ihm gesehen – nicht, daß er denen an jenem Tag wirklich ähnlich sah, wirkte auf mich eher wie ein wandelnder Leichnam. Kein Wunder, daß er … Er hat kein Wort gesagt. Seine Augen … Sie hat die ganze Zeit von ihm gesprochen, hat davon geschwärmt, wie rücksichtsvoll, zärtlich und warmherzig er doch sei, und sie war viel zu intelligent, um sich da zu irren, da bin ich mir sicher.«
»Peruzzi, ich muß Sie etwas sehr Wichtiges fragen, jetzt, da ich über Esposito Bescheid weiß: Können Sie sich daran erinnern, wann genau Akiko an jenem Abend, als Sie sie das letzte Mal gesehen haben, die Werkstatt verlassen hat? War das nach Geschäftsschluß?«
»Geschäftsschluß? Nein, natürlich nicht. Das war am frühen Mittag, um halb zwölf etwa.«
»Um halb zwölf schon? Wo wollte sie hin? Wo wollte sie hin, so früh am Mittag.«
»Zur Bank.«
»Für sich selbst oder in Ihrem Auftrag?«
»Für mich natürlich. Es war Freitag. Freitag morgens hat sie immer das Bargeld und die Schecks zur Bank gebracht, zumindest seit meinem Herzanfall, sie –«
»Peruzzi, das ist wichtig! Ich versuche, herauszufinden, wann das passiert ist. Ich muß genau wissen, wohin sie gegangen ist, wen sie getroffen hat und so weiter, und für Esposito gilt das gleiche.«
»Sie hat ihn oft auf eine rasche Tasse Kaffee getroffen, wenn er draußen Dienst schob. Sie ist immer um die gleiche Zeit zur Bank gegangen. Ich bringe ihn damit doch nicht in Schwierigkeiten, oder?«
»Ihn können Sie nicht mehr in Schwierigkeiten bringen, Peruzzi.«
»Nein. Nein, natürlich nicht. Aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, daß sie ihn an diesem Tag wirklich treffen wollte. Sie hat es zumindest nicht erwähnt.«
»Und hätte sie das normalerweise?«
»Ich … Vielleicht ja, vielleicht nein. Aber das war nach ihrem Streit.« Peruzzi schwieg.
»In Ordnung. Ist sie bis dorthin gekommen? Ist sie bei der Bank gewesen, und hat sie das Geld eingezahlt?«
»Keine Ahnung.«
»Sie wissen das nicht? Wieso nicht? Sie müssen es doch merken, wenn plötzlich die Einnahmen einer ganzen Woche fehlen, oder?«
»Nein, ich nicht. Aber mein Sohn hätte es gemerkt, wenn nicht sofort, dann spätestens am Ende des Monats, wenn er die Konten überprüft. Aber Sie wollen doch wohl nicht behaupten, Akiko hätte …«
»Ich will gar nichts behaupten. Aber verstehen Sie denn nicht? Wenn jemand wußte, daß sie jeden Freitag viel Geld bei sich trug, könnte es sich doch um einen Raubüberfall handeln. In ihrer Handtasche war nichts, was darauf hätte schließen lassen, daß sie auf dem Weg zur Bank war oder von dort zurückkehrte. Kein Geld, keine Schecks und auch keine Quittungen über eventuelle Einzahlungen. Ich nehme an, daß sie Ihnen normalerweise die Quittungen ausgehändigt hat.«
»Ja … Nein, sie hat sie abgelegt für die nächste Steuererklärung. Aber was meinen Sie mit Raubüberfall? Auf offener Straße hätte man sie
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