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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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wissen, daß es nicht seines war, wo sie doch gleich zu ihm hin ist.«
    »Halt den Mund!«
    »Ich meine ja nur. Sie wäre nicht die erste …«
    »Halt endlich die Klappe!«
    Der Maresciallo ließ sie rufen und schreien, bis dieser besondere Störenfried, ein Mann mit Brille, den er nie zuvor gesehen hatte und der bestimmt niemals auch nur ein einziges Wort mit Akiko gewechselt hatte, endlich Ruhe gab.
    »Anschließend, das heißt gestern morgen, stieg Esposito in den Zug nach Neapel.« Es schien so ewig her zu sein, aber das war tatsächlich erst gestern geschehen. Und als er nun alles zu erzählen versuchte, erschien es ihm völlig irreal, als berichte er ihnen von seinem Alptraum.
    »Der Zug fuhr etwa zehn Minuten, da stand Esposito Augenzeugenberichten zufolge plötzlich auf. Die anderen Passagiere meinten, daß er schrecklich ausgesehen habe, als ob er sich jeden Augenblick übergeben müsse. Einer meinte sogar, daß er vielleicht nur einen fürchterlichen Kater hatte, wahrscheinlich sogar noch betrunken war, denn er sah nicht so aus, als ob er wirklich bei sich wäre.
    Sie alle erinnerten sich an das Geräusch, als er vom Sitz aufsprang. Einige glaubten, das Essen sei ihm bereits hochgekommen, andere hielten es mehr für ein tiefes Stöhnen oder Schluchzen. Er schloß sich in der Toilette ein. Viele hörten den Schuß. Blut lief unter der Tür hervor. Jemand zog die Notbremse. Es dauerte einige Zeit, bis sie die Tür aufgebrochen hatten. Er hatte die Waffe auf sein Gesicht gerichtet. Niemand konnte ihm mehr helfen. Er war tot.«
    Als der Maresciallo geendet hatte, herrschte tiefe Stille. Sie waren wirklich erschüttert, und jeden Augenblick würde jemand versuchen, diesen Bann mit einer zynischen Bemerkung zu brechen. Darum sprach er rasch selbst weiter.
    »Esposito war der einzige Sohn einer Witwe, Sie können sich also vorstellen, wie sie … Ich darf Ihnen das alles eigentlich gar nicht erzählen, darum verraten Sie bitte niemandem, daß Sie es von mir haben, denn ich werde das rigoros abstreiten. Ist das klar?«
    Der kritische Augenblick war vorüber, und schon bald schrien sie sich wieder gegenseitig nieder und stritten sich, wer Esposito gesehen hatte und wer nicht.
    »Nein, nein. Fragt Peruzzi. Er hatte schwarzes Haar.«
    »Und ich sage euch, ich habe ihn vor der Werkstatt warten sehen.«
    »Hast du nicht. Er ist nur ein einziges Mal dort aufgetaucht, und da war sie schon verschwunden. Habe ich recht, Peruzzi?«
    »Ja, das war, einen Tag bevor der Maresciallo zu mir gekommen ist und mir die gleichen Fragen gestellt hat.«
    »Dann war das eben der Tag, an dem ich ihn gesehen habe.«
    »Er hat aber bestimmt nicht auf Akiko gewartet, oder? Denn sie war ja bereits verschwunden.«
    »Woher soll ich wissen, auf wen er gewartet hat? Ich habe nur gesagt, daß ich ihn gesehen habe, mehr nicht. Er hatte einen Ledermantel an.«
    »Was für einen Ledermantel denn? Und das im Mai? Er war in Uniform, hat Peruzzi gesagt. Du erzählst Blödsinn. Halt die Klappe.«
    Es gab immer jemanden, der davon überzeugt war, das gesehen zu haben, was er hätte sehen sollen, besonders, wenn sich die Gelegenheit bot, es damit bis in die Fernsehnachrichten zu schaffen. Der selbsternannte Zeuge hatte eine rauhe, laute Stimme, aber die anderen schrien ihn im Chor nieder, so daß der kleine Raum widerhallte von dem Lärm. Lapos Frau zog sich wieder in die Küche zurück. Der Maresciallo unternahm keinen Versuch, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Nur den Kopf zog er weit genug ein, um unter all dem Lärm und den wedelnden Händen abzutauchen und Santinis Aufmerksamkeit zu gewinnen, der schweigend hinter einem Tisch auf der rechten Seite saß.
    Der Maresciallo flüsterte, in der Hoffnung, auf dieser Geräuschebene bis zu ihm durchzudringen.
    »Sie haben ihn gesehen, nicht wahr?«
    Hatte Santini ihn gehört, oder konnte er von den Lippen ablesen. Auf jeden Fall nickte er.
    »In Uniform?«
    Der Maresciallo winkte ihm mitzukommen und griff nach Peruzzis Arm. Sie gingen ins vordere Zimmer, das genauso klein war, aber Fenster hatte, und das ihnen ein wenig Distanz zu den lärmenden Streithälsen verschaffte.
    »Sie beide sind die einzigen, die Esposito gesehen haben, und zwar einen Tag bevor ich meine Runde hier machte und nach Akiko fragte. Ist das richtig? Und gestern morgen haben Sie doch zu mir gesagt, daß er in Uniform war, oder irre ich mich, Santini?«
    »Ja, aber er hat nicht mit mir gesprochen. Ich habe nur gesehen, wie er in

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