Eine Japanerin in Florenz
sich aneinander gewöhnt, sie träfen sich sogar hin und wieder, um sich über seine Fehler auszutauschen. Eine Zeitlang trank er zuviel, aber die beiden haben dem recht schnell ein Ende gesetzt.«
»Der Arme … Warum setzen Sie sich nicht?«
»Ich kann nicht. Es ist spät, und ich muß nach Hause. Haben Sie nicht gesagt, daß Sie heute mittag früher nach Hause wollten? Es ist schon nach eins. Aber da ich nun einmal angefangen habe, kann ich auch noch rasch zu Ende berichten. Sie sagte, daß dieser Streit anders gewesen sei. Hier wäre es nicht um Liebe gegangen, sondern um Geld.«
Der Maresciallo stand auf, den Blick noch immer starr auf Lorenzini geheftet.
»Geld? Was für Geld? Ich hatte keine Ahnung, daß einer von den dreien Geld hat.«
»Haben sie auch nicht, aber Nardi bekommt eine Rente, eine ziemlich ordentliche Rente, schließlich hat er sein ganzes Leben bei der Eisenbahn gearbeitet.«
»Aha.«
»Deshalb beansprucht Monica nun die Hälfte davon. Sie sagt, er verbringe ebensoviel Zeit in ihrem Haus wie in dem seinen, verbrauche ebensoviel heißes Wasser, Strom und so weiter wie drüben – was natürlich nicht ganz stimmt – und verbringe ebensoviel Zeit in ihrem Bett wie in Constanzas – diese Behauptung wiederum ist richtig. Monica hat zwar die Rente ihrer Mutter, aber die ist immerhin schon fast neunzig. Sie muß an ihre Zukunft denken. Und irgendwie hat sie nicht ganz unrecht. Die beiden müssen nun schon seit zwanzig Jahren zusammen sein.«
»Ja, aber …«
»Monica hätte nicht Witwe bleiben müssen. Sie hätte mindestens drei ernsthafte Bewerber gehabt, heißt es.«
»Daran zweifle ich nicht. Ich würde nur zu gerne wissen, was eine Frau an Nardi finden kann.«
»Sie sagen, mit Zähnen sähe er viel besser aus.«
»Aber er trägt sie nie.«
»Stimmt. Auf jeden Fall sagt Constanza, wenn seine Rente, oder auch nur die Hälfte davon, woandershin ginge, solle er das bitte auch tun. Daher der ganze Ärger.«
»Hmmm. Ich muß jetzt gehen. Teresa …«
Er ließ Lorenzini einfach stehen. Nur ganz vage bekam er das erstaunte Stirnrunzeln mit, aber das kümmerte ihn nicht. Er mußte weiter. Er war noch immer erschöpft und müde und durcheinander wegen Esposito, aber tief in seinem Innern hatte sich eine große Ruhe breitgemacht.
9
Die Unterhaltung bei Tisch umwaberte ihn tröstend. Er spürte, daß Teresa ihn beobachtete, aber sie störte seine Gedanken nicht, nur hin und wieder sagte sie mit sanfter Stimme: »Salva …«
»Was ist?«
Die Kinder hatten ihm eine Frage gestellt und schauten ihn erwartungsvoll an.
»Wir werden sehen.« Zu mehr war er nicht fähig. Manchmal aber sagte er auch: »Fragt eure Mutter.«
Nach dem Essen nahmen sie den Kaffee mit ins Wohnzimmer und machten es sich auf dem kühlen Ledersofa gemütlich, um die Nachrichten zu schauen. Er lehnte sich zurück und döste ein wenig ein, hörte aber die ganze Zeit die eindringliche Stimme des Nachrichtensprechers. Er bekam auch all die kleinen Bewegungen mit, die Teresa beim Nähen neben ihm machte. Manchmal wiegte ihn der Zug in eine ermüdende Reise, die nicht aufhören wollte, aber wenn sein Kopf zur Seite fiel, sank er auf Teresas warmen, nackten Arm, und er fühlte sich geborgen. Nach fast einer Stunde wachte er erfrischt wieder auf. Seine beiden Söhne warteten vor der Wohnzimmertür, denn ihnen war gesagt worden, daß sie leise sein müßten, weil ihr Vater die ganze Nacht nicht geschlafen habe. Sie waren noch immer ganz still und starrten ihn mit großen, hoffnungsvollen Augen an. Was wollten sie bloß?
»Mama hat gesagt, wir dürfen gehen, aber nicht allein. Nur, wenn du mitkommst.«
Giovanni hatte das Wort an ihn gerichtet. Das war seltsam. Normalerweise war Totò der Wortführer, wenn sie eine Erlaubnis von ihm einholen wollten. Um was ging es nur dieses Mal?
»Eigentlich wollten wir mit den anderen von der Schule gehen. Aber Mama meint, das Finale ist zu gefährlich, weil es danach meist Schlägereien gibt.«
Das mittelalterliche Fußballturnier also!
»Aha.«
»Aber wir dürfen hin, wenn du mitkommst.«
»In Ordnung. Mal sehen.«
»Oooch, Papa. Immer sagst du ›mal sehen‹, dabei ist es an San Giovanni, meinem Geburtstag und meinem Namenstag, und die Weißen spielen, und wir haben es das aller-, allererste Mal bis ins Finale geschafft!«
»Ich weiß. Wir reden später darüber.« Er ging hinüber ins Schlafzimmer, wollte sich umziehen, aber eine Stimme in seinem Kopf hielt ihn davon ab.
»Wenn
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