Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Jungfrau Zu Viel

Titel: Eine Jungfrau Zu Viel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
durfte ihr nicht verraten, dass ich das ganze Gespräch belauscht hatte. Helena konnte gut damit umgehen, mir als verstecktem Komplizen zuzuspielen, falls das vorher abgesprochen war, aber sie hasste es, wenn man ihr heimlich nachspionierte. Ihr gefiel es nun mal nicht, überwacht zu werden.
    Sie gab mir einen kurzen Bericht, offenbar inzwischen ernsthaft besorgt.
    »Was hat Gaia dir gestern genau erzählt, als du vor meiner Rückkehr allein mit ihr warst, Helena?«
    »Sie sagte: ›Einer meiner Verwandten hat gedroht, mich umzubringen.‹ Und das hatte sie verängstigt«, erzählte Helena mit nachdenklichem Gesicht. »Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, mit einem Ermittler sprechen zu wollen. Darum habe ich die Sache dir überlassen.«
    »Ich bedaure allmählich, dass ich sie weggeschickt habe, ohne weitere Fragen zu stellen. Ich weiß, du denkst, ich hätte mich genauer mit ihr befassen sollen.«
    »Du hattest deine eigenen Probleme, Marcus.«
    »Das kleine Mädchen könnte schlimmere haben als ich.«
    »Sie ist in einem sehr seltsamen Haus aufgewachsen, so viel ist sicher«, meinte Helena nachdrücklich. »Ihre Großeltern sind in einer merkwürdigen alten formellen Zeremonie verheiratet worden, und als Flamen Dialis und Flaminica hatte selbst ihr Haus rituelle Bedeutung. Kein Kind aus so einem Heim kann normal heranwachsen. Das tägliche Leben des Priesters und der Priesterin wird in allen Dingen von lächerlichen Tabus und Ritualen bestimmt. Da bleibt wenig Zeit für Familienangelegenheiten. Selbst die Kinder nehmen formell an religiösen Zeremonien teil – vermutlich hat Gaias Vater das alles durchgemacht. Und jetzt wird Gaia, das arme Würmchen, dazu gedrängt, eine vestalische Jungfrau zu werden …«
    »Eine Fluchtmöglichkeit, so, wie es klingt!« Ich grinste.
    »Sie ist sechs«, knurrte Helena. Sie hatte Recht. Das war kein Alter, aus der häuslichen Umgebung gerissen und Gegenstand dreißigjähriger Heiligmäßigkeit zu werden.
    »Verstehe ich das richtig, Helena, dass du ermitteln willst?«
    »Ich möchte schon.« Sie war unglücklich, was mich stets verwirrte. »Ich weiß nur nicht, wie ich das machen soll.«
    Den ganzen Tag über brütete sie vor sich hin, war nicht bereit, mir ihre Gedanken mitzuteilen. Ich beschäftigte mich damit, die Gänsescheiße aufzukehren. Helena hatte mir klar gemacht, dass dies ein tägliches Ritual mit uralter Tradition sei, das nur vom Prokurator des Geflügels durchgeführt werden konnte.
     
    Das Essen an jenem Abend war eine Wohltat. Eins musste man den edlen Camilli lassen – trotz ihrer finanziellen Probleme speiste man bei ihnen ausgezeichnet. Darin übertrafen sie die meisten römischen Millionäre bei weitem.
    Ihr Geld hatten sie in Landbesitz gesteckt (um ihr Recht zu wahren, auf der Senatorenliste zu bleiben), aber eine Reihe klug angelegter Hypotheken erlaubte ihnen, in erträglichem Stil zu leben. So hatten sie, als sie uns zum Essen einluden, zum Beispiel ihren Tragestuhl für Helena und die Kleine geschickt. Wir stopften ihn voll mit Geschenken und Julias Spielzeug. Ich trug meine Tochter. Helena brachte die Briefe ihres Bruders mit, einem gewitzten Bürschchen namens Quintus Camillus Justinus, den ich recht gut kannte.
    Helena hatte zwei Brüder, beide jünger als sie und von ihr ordentlich herumgeschubst, wenn sie ihr zu nahe kamen. Aelianus, der ältere, war mit einer Erbin aus Baetica in Südspanien verlobt gewesen. Justinus, der jüngere, war mit dieser Erbin durchgebrannt. Mit finanzieller Unterstützung des Senators war ich nach Tripolitanien gereist, um das flüchtige Paar zu finden. Ich wusste, man gab mir die Schuld daran, dass Claudia Rufina beschlossen hatte, die Brüder auszuwechseln – was natürlich nicht zutraf. Sie verliebte sich in den mit dem besseren Aussehen und dem anziehenderen Charakter. Aber ich war daran beteiligt gewesen, sie als zukünftige Braut für Aelianus nach Rom zu bringen, und die Frau des Senators war lange der Meinung gewesen, dass alles, was M. Didius Falco anfasste, schief gehen musste. Damit folgte Julia Justa den Ansichten meiner Familie, also strengte ich mich gar nicht erst an, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Ich war es ja schon mein Leben lang gewöhnt.
    Helena und ich hatten herausgefunden, dass sich das junge Liebespaar unter der Beanspruchung der Wüstenbedingungen zerstritten hatte, doch wir übersahen es geflissentlich und brachten sie wieder zusammen. Wir überredeten Justinus, sich wie ein Mann zu

Weitere Kostenlose Bücher