Eine Katze hinter den Kulissen
einmal gesagt: »Du kannst einen gehäuften
Löffel Kaviar auf ein Stückchen in Milch getränktes Brot
geben und es ein paar Meter von einer Katze entfernt auf den Boden
legen. Egal, wie scharf die Katze auf den Kaviar ist, sie wird nie
geradewegs darauf zugehen - wie ein hungriger Hund oder ein Vogel oder
eine Biene das machen würden. Denn Katzen nähern sich ihrem
Futter niemals auf direktem Wege«, betonte sie.
»Es gibt Leute, die die These vertreten,
daß das daran liegt, daß Katzen sich ihrem Freßnapf
auf die gleiche Weise nähern wie ›lebendem‹ Futter,
das sie erst töten müssen, um es zu bekommen. Sie kreisen es
ein, sie pirschen sich langsam heran.
Ich bin fest davon überzeugt, daß sie ein
nahezu magisches geometrisches Ritual ausführen, das nur Katzen
und Katzenähnlichen bekannt ist. Deshalb beschreiben sie oft
Quadrate, Dreiecke und andere solcher Formen, bevor sie endlich zu
ihrem Freßnapf gehen.«
Damals hatte ich mich nicht näher auf diese
Ausführungen eingelassen. Ich hatte einfach meinen Scheck
genommen, und tschüs zu Hilda, einer unglaublich schönen
weißen Angorakatze, und Waldo, einem getigerten Kater, der halb
so groß war wie ein Dobermann, gesagt. Aber jetzt, als ich in
Louis Beasleys ziemlich merkwürdiger Wohnung saß, ging mir
diese abenteuerliche These über die geometrischen Bewegungen von
Katzen wieder durch den Kopf. Louis Beasley hatte mir endlich
gestattet, ihn zu befragen, und jetzt saß ich in seiner Wohnung,
die gleichzeitig auch sein Büro war, in der Fifth Avenue 2.
In dem Raum, in dem dieser weltberühmte,
prächtig gekleidete Impresario, der an ein Schweinchen erinnerte,
mich empfing, waren komischerweise keine Möbel, mit Ausnahme eines
Sessels und mehrerer Schreib- oder Zeichentische, die auf hohen
Drehgelenken angebracht waren. An den Wänden befanden sich
kunstvoll eingebaute Aquarien, in denen in allen Farben schillernde
Fische wie Klingen durchs Wasser schossen.
Beasley saß in einem Ohrensessel, eine cremefarbene Wolldecke über den Beinen.
Sein Liebhaber oder Mitbewohner oder Sekretär -
man weiß ja nie so genau, wie man in einer Welt voller Singles
eine Beziehung bezeichnen soll - lief unaufhörlich um uns beide
herum, aber vor allem um Beasley, als ob der rotbackige alte Mann eine
potentielle Futterquelle sei. Daher meine Assoziationen mit Kaviar und
Katzen. Denn genau so war es: Beasley war der Kaviar auf einem
großen, leckeren Kracker, und Vol Teak war die Katze, die ihre
fast mystischen geometrischen Formen beschrieb.
Zu Anfang war Beasley ausgesprochen unfreundlich
gewesen. Er hatte mich ganz schön in die Mangel genommen, um
herauszufinden, was für eine Art »Ermittlerin« ich
denn nun eigentlich war, wobei er das Wort »Ermittlerin« so
aussprach, als sei das etwas Unanständiges.
Aber in dem Augenblick, als ich ihm sagte, Lucia habe
erzählt, Peter Dobrynin sei wütend darüber gewesen,
daß Beasley ihn fallengelassen hätte, als er ihn gebraucht
habe, wurde der gebieterische Impresario plötzlich ganz klein und
begann mit einem nicht enden wollenden Monolog.
»Ja, ich habe ihn in diesem würdelosen
Zustand gesehen. Das war Weihnachten vor drei Jahren. Da war das
Schlimmste schon passiert. Daß er eine großartige Karriere
hingeschmissen hatte, war eine wahre Tragödie.
Aber der Mann, der da vor mir stand, hatte alles hingeschmissen,
alle menschliche Würde. Einfach weggeworfen! Er hat mich auf der
Straße angesprochen. Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt.
Dieser große Tänzer ... dieser Gott ... dieses Naturereignis
... stand da wartend in einem Hauseingang. Völlig verdreckt.
Betrunken. Nicht bei Sinnen. Und er verlangte von mir, daß ich
ihn aufnehmen sollte!« rief Beasley aus, und die
Ungläubigkeit, die er in der Nacht damals empfunden haben
mußte, war jetzt wieder aus seiner Stimme herauszuhören.
»Er hat mich nicht darum gebeten, er hat es verlangt. Er
wurde ausfallend, gewalttätig. Und er stank ganz
fürchterlich, er mußte sich irgendwo im Dreck gewälzt
haben. Und deshalb habe ich ihn natürlich weggeschickt. Es war
einfach mehr, als ich ertragen konnte. Es war zu deprimierend. Dobrynin
war es genauso ergangen wie all den anderen. Und es gab keine
Möglichkeit, ihn wieder zurückzuholen.«
»Welche anderen?« unterbrach ich ihn.
Es konnte keinen Zweifel daran geben, daß ich
ihn schwer beleidigt hatte, indem ich ihn unterbrach. Und anstatt meine
Frage zu beantworten, rief er über die Schulter nach Vol, der
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