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Eine Katze hinter den Kulissen

Titel: Eine Katze hinter den Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Drehsprünge und
vollführte exorbitante Pirouetten, die von schwungvollen
Ausfallschritten der vierten Position ihren Ausgang nahmen und ebenso
endeten. Seine Bewegungen führt er völlig ohne Anstrengung,
ja nachgerade seidig aus, das expressive Potential seiner
Mittänzer wirkt im Vergleich dazu äußerst limitiert. Er
ist feingliedrig fast bis zur Schmächtigkeit, dabei kraftvoll und
von ausgezeichneter Musikalität, und dazu mit einem so
schönen Gesicht gesegnet, daß es auf Porzellan gemalt zu
sein scheint.«
     
    Tony machte ein Pause, das Gesicht voller
Schadenfreude nach diesem Vortrag. »Warte! Es geht noch weiter.
Da ist noch ein Satz, den ich dir unbedingt vorlesen muß,
Alice.« Er blätterte hektisch in seinen Notizen, dann hatte
er endlich gefunden, was er suchte:
    »Dobrynins einzig sichtbare Schwäche
während seines Auftritts war die Tatsache, daß seine
doppelten Tours en l’air alles andere als sicher waren. «
     
    Erschöpft ließ Tony sich in seinem Stuhl zurückfallen.
    »Es freut mich, daß du dich so gut amüsiert hast, Tony.«
    »Dieser Quatsch ist wirklich unbezahlbar, Alice. Unbezahlbar.«
    Ich blieb still und wartete, bis er seine
Machoenergie verpulvert hatte. Vielleicht würde ich Tony
irgendwann sagen, daß das, was er da gerade vorgelesen hatte, mir
alles andere als »bescheuert« erschien. Denn es war
wirklich wesentlich konkreter als vieles von dem Unsinn, den wir beide
über das Theater gelesen hatten.
    »Hmm, ja«, murmelte ich zustimmend. »Aber sag mal, hast du irgendwelche Fakten gefunden, Tony? Deshalb warst du doch schließlich in der Bibliothek.«
    »Ein paar.«
    Wir tranken weiter, bestellten Hamburger und eine
Portion Pommes frites für uns beide und tauschten aus, was wir
heute herausgefunden hatten. Wir überlegten hin und her,
während wir versuchten, eine erste Zusammenfassung der wichtigsten
Lebensdaten von Peter Dobrynin zu erstellen.
    Dabei kam mehr oder weniger folgendes heraus:
    Dobrynins Vater war in den zwanziger Jahren von
Rußland nach England emigriert. Er hatte eine Amerikanerin
geheiratet und war dann nach Rußland zurückgekehrt, wo er
viele Jahre als Übersetzer für das britische Konsulat in
Leningrad tätig gewesen war. Peter war schon als kleiner Junge auf
die Ballettschule des Kirow-Theaters geschickt worden und war der erste
Tänzer ohne russische Staatsbürgerschaft gewesen, der in das
berühmte Kirow-Ensemble aufgenommen worden war.
    Nachdem die Familie wieder nach England gezogen war,
hatte Peter eine Weile mit dem Royal Ballet getanzt, bevor er nach
Amerika ging.
    Er hatte bereits mehrere Jahre in Manhattan gelebt,
als sein kometenhafter Aufstieg begann. Und dann hatte die
plötzliche Welle von Geld und Ruhm ihn offenbar aus dem
Gleichgewicht gebracht.
    Tony trank seinen Kaffee aus, bestellte einen Brandy
und sagte: »Na, ich glaube, wir haben ganz gut gearbeitet. Da
hast du deine Biographie.«
    »Nicht ganz. Eine ziemlich unvollständige Biographie vielleicht.«
    »Wieso denn das?«
    »Die drei Jahre vor dem Mord liegen völlig
im dunkeln. Ist Dobrynin wirklich ein Penner geworden? Was ist mit ihm
passiert? Er kannte Dutzende reicher Leute. Wenn er in Schwierigkeiten
war, warum hat er sich dann nicht an einen von denen um Hilfe gewandt?
Hat es Warnzeichen gegeben, daß er nicht nur ein Säufer und
ein Frauenheld war, sondern ein psychisch tief gestörter Mensch?
Wer hat ihn am besten gekannt? Seine Ängste, seine
persönlichsten Gedanken, seine Geheimnisse, mal angenommen, er
hatte welche? Verstehst du, was ich meine? Dobrynin war kein Arbeiter,
der den Job verloren hat und zur Fürsorge gehen mußte, weil
er seine Familie nicht mehr ernähren konnte. Es muß da eine
ziemlich verwickelte Geschichte geben, bis er schließlich auf
diesem Balkon endet, mit verfilzten Haaren und ohne Schuhe.«
    »Ja, klar«, sagte Tony. »Das alles
fehlt. Aber du hast doch wohl nicht erwartet, diese Art von
Informationen in der Bibliothek zu finden, oder? So was kann man nur
von Leuten erfahren, die ihn gekannt haben.«
    »Da hast du recht, Tony, völlig recht. Und
deshalb gehen wir beide auch morgen Lucia besuchen. Wir müssen
etwas tiefer graben. In der Regel wissen die Leute Dinge, von denen sie
nicht mal wissen, daß sie sie wissen.«
    »Mörder machen mich nervös, Alice.«
    »Das ist nicht witzig!« gab ich wütend zurück. »Lucia ist keine Mörderin!«
    »Okay, okay, beruhigen Sie sich wieder, Miss
Sherlock! Du weißt, daß ich alles, wirklich alles

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