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Eine Katze hinter den Kulissen

Titel: Eine Katze hinter den Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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denn überhaupt gekommen?«
    »Er wollte in meiner Wohnung bleiben, nur ein
paar Tage, hat er gesagt. Er war völlig verrückt, stolzierte
in der Lobby herum und kreischte. Seine Sachen waren total verdreckt,
und er roch wie ...« Sie rang nach Luft. »Ich habe nein
gesagt. Wir haben uns gestritten. Dann hat jemand die Polizei
gerufen.«
    Sie unterbrach ihre Erzählung abermals und beugte sich vor, als ob sie Magenkrämpfe hätte.
    »Und was ist dann passiert?« fragte ich und versuchte, ihren Kummer so gut es ging zu ignorieren.
    Lucia weinte jetzt. »Er hat gesagt - nachdem er
mir die fürchterlichsten Schimpfworte an den Kopf geworfen hatte -
ich sei auch nur eine von der langen Liste der Leute, die ihn geliebt
hätten, als er ganz oben war, die alle Lebenskraft aus ihm
herausgesaugt hätten und jetzt, wo er ganz unten war, nichts mehr
mit ihm zu tun haben wollten.«
    »Hat er noch was gesagt?«
    »Nein. Nein. Er ist ein paar Sekunden, bevor das Polizeiauto kam, abgehauen.«
    »Hat er Namen von anderen genannt, die auch nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten?«
    »Ich glaube schon.« Sie schneuzte sich
die Nase. »Ich weiß nicht, ja, vielleicht.« Sie
schüttelte den Kopf. »Er war auf uns alle schrecklich
wütend. Ich glaube, er hat Melissa erwähnt. Und Betty Ann
Ellenville. Louis Beasley. Die hab ich dir alle bei der Trauerfeier
gezeigt.«
    Lucia stemmte sich aus dem Sofa hoch, als ob sie dreihundert Pfund wöge.
    Die Schwester kam schnell und geräuschlos
herbeigelaufen und blieb dann rücksichtsvoll in einiger Entfernung
stehen, um Lucias nächste Bewegung abzuwarten. Sie stand nah
genug, um sie zu stützen, falls sie stolpern sollte, aber weit
genug entfernt, um ihr nicht das Gefühl zu vermitteln, irgendwie
behindert zu sein. Ich beneidete sie um diese taktvolle, diskrete Art.
    »Ich bin müde, Alice, ganz schrecklich
müde«, sagte Lucia. »Ist sonst noch was? Würdest
du mich bitte entschuldigen, aber ich muß unbedingt
schlafen.«
    »Nein, nein, geh nur«, sagte ich.
»Ich ... wir hören voneinander.« Ich nickte der
anderen Frau zum Abschied zu.
    Lucia verließ den Raum im Schneckentempo, die Krankenschwester ging in der gleichen Geschwindigkeit hinterher.
    »Die haben sie ja ganz schön vollgepumpt«, bemerkte Tony, als sie hinaus war.
    Natürlich. Ich hatte mit einer Frau gesprochen, die unter starken Beruhigungsmitteln stand.
    Wir verließen die Wohnung und warteten im Hausflur auf einen der majestätischen Fahrstühle.
    »Hat das Spiel jetzt angefangen,
Sherlock?« fragte Tony provozierend. »Krempeln wir jetzt
die Ärmel hoch und legen los?«
    »Was?«
    »Das Spiel, Alice. Die Jagd. Du weißt
schon. Auswerten und ermitteln. Suchen und finden. Schnüffeln und
zuschlagen. Du hast doch schon wieder dieses alte Jagdfieber. Das sehe
ich doch in deinen babyblauen Augen.«
    »Es reicht mit den Metaphern, Tony. Und du weißt ganz genau, daß meine Augen nicht babyblau sind.«
    Er ignorierte meine Bemerkung und versuchte
stattdessen, im Flur einen komplizierten Ballettsprung zu
vollführen. Es war lächerlich. Bevor er sprang,
verkündete er: »Ein doppelter Tour en l’air.«
    Er knallte heftig gegen die Wand und sank dann zu Boden. Die Szene erinnerte mich an einen Slapstick.
    »Um Gottes willen!« Ich rannte zu ihm,
der wie gelähmt dasaß, und half ihm auf die Beine. Er hielt
sich an meinem Arm fest, humpelte zu dem inzwischen eingetroffenen
Aufzug und trat vorsichtig hinein.
    Basillio schwieg beschämt. Während wir
hinunterfuhren, wurde mir klar, daß seine Bemerkung über
mein »Jagdfieber« mehr als nur ein Körnchen Wahrheit
enthielt. Ich wollte natürlich wirklich Lucia aus der Patsche
helfen, aber ich mußte zugeben, daß der Gedanke daran, in
der Haute volée des Balletts zu ermitteln, ausgesprochen
verlockend war.
    Aber im Gegensatz zu Tony würde ich niemals auch
nur ansatzweise versuchen, irgendeinen Sprung zu vollführen.
Erstens - ich blickte hinüber zu dem armen Basillio, dessen
Gesicht knallrot war und der offensichtlich starke Schmerzen hatte -
führen Frauen selten diese Sprünge aus. Und zweitens - es war
mir egal, daß er sah, daß ich mir das Lachen kaum
verkneifen konnte - ist meine Krankenversicherung immer kurz davor, mir
den Vertrag zu kündigen. Und was Tonys Krankenversicherung
betrifft, würde ich meine Seele dafür verwetten, daß er
gar keine hat.
    9
    Eine meiner Stammkundinnen hatte, als wir gerade
zusammen eine Tasse ihrer speziellen Kräutertee-Hausmischung
tranken,

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