Eine Katze hinter den Kulissen
ein
Wegwerfartikel für ihn waren, nicht verletzt waren. Sie sahen die
Sache genauso wie er: als einen amüsanten Zeitvertreib. Und er
vermittelte ihnen das angenehme Gefühl, ihm einen dringend
benötigten Dienst erwiesen zu haben.«
Sie drehte sich wieder zu dem Foto um.
»Aber Peter hat es mit dem Wegwerfen ein wenig
übertrieben. Er ist zu weit gegangen. Und schließlich hat er
seine Karriere weggeworfen ... seine Kunst ... sein Leben.«
Ich konnte Betty Anns Gesicht nicht mehr sehen. Sie war zu dem Foto hinübergegangen und betrachtete es eingehend.
»Ich vermisse ihn wirklich. In seiner Kunst war
er ebenso besessen. Mein Gott, war er ausgeflippt! Einmal hatte er ein
kleines Vermögen mit Werbung für Pullover verdient. Oder
für Jeans, was auch immer. Auf jeden Fall ist er an dem Morgen,
als der Scheck eingelöst worden war, losgegangen und hat sich
für vierzigtausend Dollar einen Jaguar gekauft. Und am Nachmittag
hat er den Wagen dann im Leerlauf vor einer Bar stehenlassen. Und
natürlich wurde er sofort gestohlen. Und was hat Peter gemacht? Er
hat sich ein neues Auto gekauft, diesmal einen Jeep, für
fünfzehntausend. Der wurde abgeschleppt, weil er ihn falsch
geparkt hatte. Als er aus dem Restaurant kam und feststellte, daß
der Wagen weg war, hat er sich zwanzig Dollar geliehen und ist mit dem
Taxi nach Hause gefahren. Er hat niemals auch nur die geringsten
Anstalten gemacht, einen der beiden Wagen zurückzubekommen.«
Sie schüttelte den Kopf und kam dann wieder zu mir zurück.
»Hatte er auch männliche Liebhaber?« fragte ich. »One-Night-Stands oder festere Beziehungen?«
»Das würde mich nicht überraschen. Er
war ein Satyr, der die Diskriminierung von Minderheiten bekämpfte,
wenn Sie so wollen. Alle waren willkommen.«
Ich wollte mit einer Bemerkung antworten, daß
er wohl nicht immer den besten Geschmack gehabt hatte, aber Betty Ann
bewahrte mich vor mir selbst. Sie hob ihre Hand und unterbrach mich.
»Es ist an der Zeit, daß ich endlich gute Manieren
zeige«, sagte sie. »Ich habe eine dieser
High-tech-Espressomaschinen. Kann ich Ihnen einen Cappuccino
anbieten?«
»Um ehrlich zu sein, ich dachte schon, Sie würden mir nie etwas anbieten.«
Sie ging hinaus, und bald hörte ich das
durchdringenden und merkwürdig tröstende saugende
Geräusch der Maschine bei der Arbeit. Während sie in der
Küche war, ging ich hinüber, um mir den Satyr etwas genauer
anzusehen. Dobrynin schien über meine rechte Schulter zu schauen.
Ich fragte mich, ob seine sexuelle Beziehung zu Betty Ann wirklich das
reine Vergnügen gewesen war, so wie sie es geschildert hatte.
Vielleicht war es für ihn eher gewesen, als ginge er mit der
Kindergartentante ins Bett. Und ich fragte mich auch, ob ich, wenn ich
ihn gekannt hätte, seinen Schmeicheleien erlegen und einer seiner
berühmten »Schuhlöffel« geworden warn. Ich hatte
immer geglaubt, ich sei gegen solche Typen immun. Aber wie heißt
es so schön: Man kann nie wissen.
Der Cappuccino war köstlich und ich trank ihn gierig. Es gab noch ein oder zwei Sachen, die ich Betty Ann fragen wollte.
»Sagen Sie, haben Sie irgendeine Ahnung, wie
ein Penner ohne Schuhe und ohne Eintrittskarte ins Ballett gekommen
sein könnte?« fragte ich.
Sie lachte wieder.
»Meine Liebe, haben Sie jemals von
Pausenschleichern gehört? Nicht? Ich dachte, sie wären eine
gebildete New Yorkerin?«
Ich antwortete ihr, daß ich weder gebildet noch
New Yorkerin sei. »Aber«, sagte ich, »ich weiß
schon, was ein Pausenschleicher ist. Auf diese Weise kommen Studenten,
die kein Geld haben, in die Vorstellungen auf dem Broadway. In der
Pause gehen viele Theaterbesucher hinaus auf die Straße, um eine
Zigarette zu rauchen. Wenn es dann klingelt, gehen die Pausenschleicher
einfach mit der Menge hinein. Das ist ein ganz alter Trick. Aber
Dobrynin wurde während des ersten Teils der Vorstellung ermordet,
vor der Pause.«
»Ja, ich meinte ja eigentlich auch nur«,
erklärte sie, »daß es eine Möglichkeit gibt, sich
ins Ballett zu schleichen, ebenso wie ins Theater. Jede Menge
Jugendliche, die verrückt nach den Stars sind, schleichen sich
durch die Tiefgaragen unter dem Lincoln Center ins Staatstheater.
Soviel ich weiß, ist es unmöglich, auf diese Weise in die
Met zu gelangen, aber wer sich auskennt, kommt ohne Schwierigkeiten ins
Staatstheater und in die Avery Fisher Hall.«
»Und wenn ein Jugendlicher das kann, wird ein
gerissener Penner, der das Theater wie seine Westentasche kennt, das
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