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Eine Katze hinter den Kulissen

Titel: Eine Katze hinter den Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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Ballettstange
nicht mehr.
    Mitten in dem großen Raum lag eine Plane, auf
die die Arbeiter Dobrynins sämtliche Besitztümer geworfen
hatten: Schallplatten, Kleidung, Poster, alles.
    Wir näherten uns dem Haufen. Alles war
völlig durchnäßt, weil es durch die offene Decke
hereinregnete. Wenn in diesem Haufen irgend etwas von Wert gewesen war,
so war es jetzt wertlos. Alles war zu einem großen Kloß
geworden, vornehmlich die Sachen aus Papier.
    Betty Ann betrachtete das Chaos verdrießlich.
Ihre Begeisterung war schnell der Enttäuschung gewichen. Sie nahm
meinen Arm, und wir liefen durch den verwüsteten Raum und suchten
nach etwas, das noch erhalten war. Wir schauten in das kleine
Badezimmer. Das Waschbecken war noch da, aber alle Bodendielen waren
entfernt worden.
    Wir kamen in die kleine Kochnische. »Na«,
sagte Betty Ann sarkastisch, »wenigstens braucht Melissa sich
jetzt keine Sorgen mehr zu machen, daß hier irgend etwas
Kompromittierendes gefunden wird.«
    Der Herd war nicht mehr angeschlossen und das Gas
anscheinend abgestellt. Die Wand hinter der Küche war
durchgebrochen worden. Offensichtlich war in dem Renovierungskonzept
die Entfernung sämtlicher Wände in den unteren Stockwerken
vorgesehen.
    Nur der kleine Kühlschrank war noch in Betrieb.
Als ich ihn öffnete, wußte ich auch, warum: Hier
kühlten die Arbeiter ihr Bier.
    »Was ist das?« fragte Betty Ann und
zeigte auf ein kleines Regal ungefähr einen Meter über dem
Kühlschrank. Ich war gerade groß genug, um an die drei
altmodischen Keksdosen heranzukommen, die auf wunderbare Weise
verschont geblieben waren.
    Die eine Dose war leer. In der zweiten waren Gummis
und ein paar Bleistiftstummel. Die dritte Dose enthielt ein paar alte
Dragees.
    Ich schüttete ein paar davon in meine Hand.
»Ich glaube, Dobrynin mochte Smarties«, sagte ich und hielt
Betty Ann meine Hand hin.
    Sie betrachtete die kleinen Dragees aus der Nähe. »Alice«, sagte sie, »das sind keine Smarties.«
    Sie nahm eine aus meiner Hand und hielt sie nahe an die Glühbirne an der Wand.
    »Was ist es dann?«
    »Medizin«, sagte sie. »Haldol. Ein
Mittel zur Stabilisierung von psychisch Kranken. Und zwar ein ziemlich
starkes. Es wird viel in psychiatrischen Kliniken verwendet. Meine
Mutter hat viele Jahre lang Haldol genommen.«
    Ich nahm eine Pille und drehte sie zwischen den
Fingern. Betty Ann kannte sich mit diesem Medikament offenbar aus, und
ich glaubte ihr. Als ich die kleine Aufschrift auf der Tablette genauer
betrachtete, erkannte ich das Logo einer Pharmafirma.
    »War Peter in einer psychiatrischen Klinik, Alice?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    »Woher soll er sonst diese Tabletten haben?«
    »Vielleicht gehören sie Basil?«
    »Wem?«
    »Der Farbigen, der Vol Teak beim Mord an Peter geholfen hat. Soviel ich weiß, hat er manchmal hier gewohnt.«
    Sie schien mir überhaupt nicht zuzuhören. Sie lief aufgeregt hin und her und spielte mit der Handvoll Tabletten.
    »Warum nimmt Sie das so mit?« fragte ich.
»Was ist denn schon dabei, wenn Dobrynin in einer Klapsmühle
war? Wir wissen doch jetzt, wer ihn ermordet hat und warum. Und das
hatte nichts mir irgend jemandes geistiger Gesundheit zu tun.«
    Sie machte eine verächtliche Handbewegung, als
ob ich überhaupt nichts begriffen hätte. »Verstehen Sie
denn nicht, Alice? Wie soll ich glaubhaft über Peter Dobrynins
Leben schreiben, wenn wir nicht mal wissen, ob er geistig gestört
war? Wie soll man seine Genialität verstehen, wenn man den
Ursprung dieser Genialität nicht kennt?«
    Es war viel zu kalt und zu feucht, um sich hier lang
und breit über Betty Anns intellektuelle Probleme zu unterhalten.
Ich war allerdings auch der Ansicht, daß dies ein wichtiger
Aspekt war, und ich versprach ihr, ihr bei weiteren Nachforschungen zu
helfen. Aber zuallererst wollte ich dieses unheimliche Haus verlassen.
     
    Am nächsten Morgen, Montag, rief ich Rothwax an
und bat ihn um einen weiteren Gefallen. Ich ging ihm bestimmt
mittlerweile ziemlich auf die Nerven, aber komischerweise protestierte
er diesmal überhaupt nicht, und er machte auch keinen seiner
üblichen Witze auf meine Kosten. Vielleicht hatte die Tatsache,
daß er sich jetzt mit organisierter Kriminalität
befaßte, seine Persönlichkeit verändert. Er versprach
mir, daß er mich bald zurückrufen würde.
    Und wirklich rief er an, noch bevor zwei Stunden
vergangen waren. Er sagte, daß der Computer nichts hergäbe,
was einen Krankenhausaufenthalt von Peter Dobrynin oder

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