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Eine Katze im Wolfspelz

Eine Katze im Wolfspelz

Titel: Eine Katze im Wolfspelz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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»Nehmen Sie das.«
    Sie schüttelte energisch den Kopf und lief weiter. Ich drehte mich wieder zum See um. Mir wurde klar, daß ich jetzt alles, was ich herausgefunden hatte, in Retros Datenbank eingeben mußte. Alles. Es war zuviel, um alles im Kopf zu behalten. Denn, ob es mir nun paßte oder nicht, ich gehörte schließlich zum Team. Zum Ensemble. Zum Retro-Theater-Workshop. Ich lachte über mich selbst. Nein, zur Judy-Mizener-Truppe.
    Meine Augen glitten zu dem dichten Gebüsch in der Ramble. Ich konnte Jack Tyre vor mir sehen, wie er, mit seiner Katze auf der Schulter, dort spazierenging. Aber mein Bild von Tyre war unscharf. Die Beschreibung, die seine Geliebte von ihm gegeben hatte, stimmte nicht hundertprozentig mit seinem Persönlichkeitsprofil bei Retro überein. Georgina Kulaks beschrieb ihn als unergründlich, liebevoll und weise. Sie sprach von ihm fast wie von einem Wunderheiler oder einem Heiligen. Ich schloß die Augen. Ich hatte keine Schwierigkeiten, mir die Siamkatze vorzustellen, die am Wochenende in der Ramble spielte - und schnurrend und maunzend auf der Schulter ihres Herrchens saß. Ich konnte die Ohren und das großartig geformte Gesicht sehen. Und die Augen - die ausgeprägten, übermütigen großen Augen - waren viel zu groß für den zarten Körper. Wo war diese wunderschöne Katze jetzt? Und plötzlich war ich mir ganz sicher, daß die Morde aus einem anderen Grund begangen worden waren, einem Grund, der mit Leben und Tod zu tun hatte - und mit Erlösung.

11
    Tony und ich saßen in einem Coffee-Shop an der Ecke Hundred-tenth Street und Broadway. Wir waren ein bißchen früh dran für unsere Verabredung mit Karl Bonaventura, der uns in die merkwürdigerweise unveränderte Wohnung seiner Schwester führen würde. Tony war von meinem Gespräch mit der Geliebten Jack Tyres keineswegs beeindruckt. »Und, was hast du nun eigentlich herausgefunden? Daß sie im Park miteinander geschlafen haben? Daß Jack ein bißchen wunderlich war?«
    »Nun, ich habe herausgefunden, daß da irgendwas gar nicht stimmt, daß es sehr merkwürdig und sehr seltsam ist.«
    Er lachte. »Liebe Güte, Alice. Das alles war schon sehr merkwürdig und seltsam, bevor du diese Georgina getroffen hast. All diese Spielzeugmäuse und verschwundenen Katzen und die Tatsache, daß jedes Opfer auf andere Weise umgebracht worden ist, und daß die zeitlichen Abstände zwischen den Morden mit der Trächtigkeitsdauer von Katzen übereinstimmen.«
    »Dann glaubst du also nicht daran, daß es immer der gleiche Mörder war?«
    »Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Was weiß ich denn?« Er warf mir einen durchtriebenen Blick zu und fügte dann hinzu: »Ich bin schließlich nur ein arbeitsloser Bühnenbildner.«
    »Und was macht dein neues Leben?« fragte ich.
    Er langte über den kleinen Tisch, faßte meine Hand und küßte sie. Ich zog meine Hand zurück. Auf seinem Gesicht lag ein Leuchten.
    »Es wird schon klappen«, sagte er. »Ich bin ins Wellington an der Fifty-fifth Street und Seventh Avenue umgezogen und zahle meine Miete jetzt monatlich. Meine Frau hat sich beruhigt. Die Läden laufen von alleine. Und meine Kinder - na ja, wer weiß das schon? Im Grunde geht es doch darum ...«
    Er unterbrach sich mitten im Satz. Ich wartete darauf, daß er weiterreden würde. Aber er sagte nichts mehr.
    »Im Grunde geht es worum, Tony?« fragte ich.
    Sein Gesicht wurde ernst. »Im Grunde geht es darum, daß du dich nicht einmal an diesen Laden erinnerst, Schwedenmädel.«
    »Welchen Laden?«
    »Diesen Coffee-Shop.«
    »Müßte ich mich an den erinnern?« Ich hatte keinen blassen Schimmer, worauf er hinauswollte.
    »Ja, du müßtest. Denn in dem Stockwerk über diesem Coffee-Shop war mal ein Kabarett. Wir beide sind oft hergekommen. In den Siebzigern. Kannst du dich nicht daran erinnern? Eric Bentley hatte es gegründet ... als Bühne für politisches Theater. Wenn man das Guerilla-Theater von der Straße in einen Loft holt, wird es dadurch noch wilder und bösartiger.«
    Ich lehnte mich zurück. Jetzt erinnerte ich mich. Mein Gott, das war ja ewig her. Das war vor Urzeiten gewesen. Und aus irgendeinem Grund regnete es jedesmal, wenn wir eine Vorstellung besuchten, daher roch es immer nach nassen Klamotten.
    »Diese Zeiten, Tony, sind längst vorbei«, sagte ich schließlich.
    »Ja, O’Leary ist tot.«
    »Und sie werden niemals zurückkommen, Tony. Zu unseren Lebzeiten wird es kein Brecht-Revival geben. Kein absurdes Theater. Es gibt

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