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Eine Katze kommt selten allein

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Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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ich saßen am Küchentisch. Vor uns stand ein Karton mit der Aufschrift ›1985‹. Neben dem Karton lagen Stapel von Papieren; daneben standen zwei leere Kaffeetassen und ein Teller mit Toasts, die weder Jo noch ich angerührt hatten. Wir waren seit etwa einer Stunde an der Arbeit und hatten eine Art Suchmethode entwickelt: Eine von uns nahm einen Brief Harrys, eine Rechnung oder einen Zettel, überflog, was darauf stand, und las den Inhalt dann kurz der anderen vor. War das Schriftstück unverdächtig, gingen wir zum nächsten über.
    Jo trug Harrys alte Jacke von der Freiwilligen Feuerwehr; in ihrem Haus war es bitterkalt. »Dieser Detective hat heute früh kurz vorbeigeschaut, als ich im Stall war«, sagte sie. »Es muß so gegen sieben Uhr gewesen sein. Er belästigt mich fortwährend wegen dieser Liste.« Sie hielt inne und blickte auf eine ihrer Himalayan-Katzen.
    Dann fuhr sie fort: »Immer wieder sage ich dem Mann, daß nichts gestohlen wurde. Aber er will mir einfach nicht glauben. So langsam wird der Kerl mir unsympathisch. Er ist verschlagen. Er hat mich gefragt, ob Mona und Harry geschäftlich miteinander zu tun hatten. Dann wollte er sogar wissen, wie ihr privates Verhältnis gewesen ist. Also wirklich, es gefällt mir nicht, wie der Mann das Wort ›Verhältnis‹ benutzt hat. Als hätten die beiden zur Mafia gehört.«
    Ich lachte. Harry als Mafioso? Das war allerdings ein sehr komischer Gedanke. Doch Senays Nachforschungen interessierten mich nicht besonders. Viel mehr interessierte mich Ginger.
    »Was hast du eigentlich gemeint, Jo, als du gestern gesagt hast, Mona Aspen und Ginger wären gute Freundinnen gewesen?«
    »Na ja, sie waren gute Freundinnen. Mona hat Ginger zu uns geschickt, als das Mädchen auf Arbeitssuche war.«
    »Da komme ich nicht ganz mit, Jo. Hat Ginger bei Mona gewohnt?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Schon möglich. Jedenfalls waren die beiden Freundinnen. Als Ginger schon längere Zeit für mich arbeitete, ging sie immer wieder mal zu Mona rüber, um ihr zu helfen, wenn sie die Arbeit allein nicht schaffte. Wenn ein Pferd schwer krank war oder wenn der Hufschmied kam.«
    »Wie heißt Ginger mit Nachnamen?«
    Jo lehnte sich zurück und machte eine unwirsche Handbewegung. »Ich kann mich nicht daran erinnern. Warum stellst du mir eigentlich all diese Fragen über Ginger?«
    Ich wartete einen Augenblick, bis Jo sich halbwegs beruhigt hatte. »Wo hat Ginger gewohnt, als sie für dich gearbeitet hat?« fragte ich dann.
    »Keine Ahnung. Nicht weit von hier. Die meiste Zeit hat sie sowieso im Stall geschlafen.«
    »Jo«, sagte ich so behutsam wie möglich, damit es sich nicht wie eine Forderung anhörte – wenngleich ich bereit war, meine Bitte zur Forderung zu machen, sollte Jo sich als widerstrebend erweisen. »Ich möchte mit Ginger reden.«
    Die Frage erstaunte sie. »Wie denn? Ich weiß doch gar nicht, wo sie ist.«
    »Wer könnte es denn wissen?«
    »Nick, vielleicht.«
    »Wer ist Nick?«
    »Nicholas Hill. Monas Neffe. Du hast ihn auf der Beerdigung gesehen.«
    »Können wir zu ihm? Jetzt gleich?«
    Jo platzte der Kragen. »Hier liegt das Geheimnis um Harrys Ermordung begraben!« rief sie und schlug mit der Hand auf die Stapel alter, vergilbter Briefe, Notizen und Rechnungen.
    »Beruhige dich, Jo. Soll ich dir mal was sagen? Ich habe das ungute Gefühl, daß Ginger diejenige Person ist, die Harry und Mona am besten gekannt hat. Verstehst du, was ich meine?«
    Jo schüttelte den Kopf und wich meinem Blick aus. »Wie kann man nur so etwas Grausames sagen«, murmelte sie.
    Es war grausam. Aber ich hatte keine Wahl. Und ich war auf der Siegerstraße.
    Denn plötzlich hellte sich Jos Gesicht auf. »Moment mal«, sagte sie, »jetzt fällt mir Gingers Nachname wieder ein. Sie hieß Mauch. Ginger Mauch.« Dann fügte sie mit müder Stimme hinzu: »Also gut. Laß uns zu Nick fahren. Ich möchte keinen Streit mit dir, Alice. Wir brauchen einander.«
    Es war eine kurze Fahrt von der heruntergekommenen Starobin-Farm bis zum gepflegten, frisch gestrichenen Gebäudekomplex, den bis vor kurzem Mona Aspen besessen hatte. Ich folgte Jo über ein umzäuntes Feld zu den Pferdestallungen. Nicholas befand sich in einem der Stallgebäude und reinigte geschickt eine Schaufel. Als wir den Stall betraten, konnte ich die Köpfe der Rennpferde sehen, die gelassen aus ihren Boxen spähten. Einige fraßen Heu aus Netzen, die in Kopfhöhe vor die Boxentüren gehängt waren.
    Nicholas war ein Mann mittleren

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