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Eine Katze kommt selten allein

Eine Katze kommt selten allein

Titel: Eine Katze kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Adamson
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etwas mitgeteilt«, sagte Charlie.
    »Dummkopf«, murmelte ich zärtlich. »Schlaf weiter, Charlie.«
    Ich drehte mich von ihm weg und wartete, bis ich seinen langsamen, rhythmischen Atem hören und sicher sein konnte, daß er wieder eingeschlafen war.
    Was mich betraf, war ich voller gespannter Erwartung. Ich hatte die Absicht, eine Reise in die Vergangenheit zu unternehmen, um mehr über ein Pferd mit Namen Cup of Tea zu erfahren, dessen Reiterin niemand anders als Ginger Mauch gewesen war. Ich wollte mich wieder mit der gerissenen Ginger beschäftigen, der undurchsichtigen Ginger, der gefährlichen Ginger. Mit der möglicherweise inzwischen toten Ginger. Mit der vielleicht sogar unschuldigen Ginger. Mit der kindlichen Reiterin und Geliebten, die nur ihres gebrochenen Herzens wegen die Flucht ergriffen hatte.
    Als ich in der Dunkelheit lag und grübelte, überkam mich die felsenfeste Gewißheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Daß es erforderlich war, den Fall Harry Starobin abzuschließen… und daß ich Ginger finden mußte, um dieses Ziel erreichen zu können… und daß ich einen anderen Weg einschlagen mußte, sollte ich Ginger nicht auf normalem Wege aufstöbern können. Ja, ein anderer, ungewöhnlicher Weg . Dieser Gedanke erregte mich, als wollte ich mich auf die Suche nach dem Stein der Weisen oder dem Heiligen Gral machen. Aber so romantisch und abenteuerlich dieser Gedanke auch war: Ich mußte mit meiner Suche bei einem Pferd beginnen – bei Cup of Tea .
    Alice Nestleton, Schauspielerin und Catsitterin, war nunmehr damit beschäftigt, ein Buch über Cup of Tea zu schreiben. Eine dritte Karriere.
    Es war lächerlich. Ich kicherte leise. Ich hatte nie besonders gut schreiben können; dennoch hatte ich auf der Grundschule mal einen Preis für einen Katzen-Limerick gewonnen, der so schlecht war, daß er einfach einen Preis bekommen mußte :
     
    Es gab mal ein Katze, die hieß Lily
    Ihr Gesicht war so süß wie Chantilly
    Sie konnte singen und tanzen
    Sie war klug und wunderschön
    Doch ihre Jungen waren doof
    Und furchtbar häßlich anzusehen.
     
    Am nächsten Morgen umarmte Charlie mich so sehnsuchtsvoll wie immer, bevor er sich auf den Weg zur Arbeit machte. Stets umarmte er mich so innig, als würde er mich nie wieder sehen. Als er fort war, stellte ich mich ans Fenster und trank Kaffee. Ich war froh, daß Charlie so früh gegangen war. Unser Liebesverhältnis nahm allmählich seltsame Formen an. Natürlich freute ich mich auf Charlies Besuche. Ich wollte mit ihm schlafen, so oft ich… oder besser… er konnte. Andererseits hatte ich nicht das leiseste Verlangen, außer meinem Bett irgend etwas anderes mit Charlie zu teilen. Wahrscheinlich war ich zu lange allein gewesen.
    Um zehn Uhr ging ich aus dem Haus, um meine neue Pseudo-Karriere als Biographin eines Pferdes mit Namen Cup of Tea zu beginnen. Ich wollte zur Bibliothek an der Fifth Avenue. Es war ein klarer, kühler Vormittag, und ich ging in meinem Jeanskleid und dem Wollpullover schwungvollen Schrittes dahin. Ich war so aufgeregt, daß ich manchmal in eine Art Trab verfiel, wie damals, als kleines Mädchen auf der Milchfarm in Minnesota. Ich konnte mich erinnern, daß meine Oma immer so gelaufen war.
    Als ich zur Fifth Avenue gelangte, verlangsamte ich das Tempo und machte einen Schaufensterbummel, denn irgend etwas beunruhigte mich. Meine Besorgnis hatte aber nichts mit meinem Ziel, der Bibliothek, und den Nachforschungen zu tun, die ich dort aufnehmen wollte. Ich spürte, daß jemand mich beobachtete.
    Ich blieb vor einem Geschäft stehen, in dessen Schaufenster eine riesige Auswahl an Sportschuhen ausgestellt war; dann drehte ich mich halb zur Seite und stellte fest, daß ich die Fifth Avenue hinunter in Richtung Innenstadt freie Sicht hatte.
    Ich sah sehr viele Menschen, und keiner davon beobachtete mich. Du siehst Gespenster, Alice, sagte ich mir. Selbst wenn der Fahrer des Lieferwagens damals tatsächlich versucht haben sollte, Jo und mich zu töten – das war vor zwei Monaten, und seitdem hatte ich nicht mehr nach Harrys Mördern gesucht.
    Dann aber sah ich irgend etwas farbig aufblitzen: eine Fasanenfeder, die unter einem Hutrand steckte. Der Mann, der diesen Hut trug, war zwei Querstraßen von mir entfernt. Als ich ihn entdeckte, bog er von der Fifth Avenue ab, und Mann und Feder waren verschwunden.
    Hatte dieser Kerl mich beobachtet? Wie sollte ich das wissen? War es nur eine Wahnvorstellung gewesen, die darauf

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