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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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haben, wonach sie suchten.
    Eine Wand des großen Wohnzimmers ist aus Glas. Die Vorhänge sind zugezogen. Als ich sie öffne, spüre ich, dass die Aussicht Obaid den Atem nimmt. Man sieht die Berge und den steil abfallenden Hang darunter. Es ist, als stünde man auf dem Rand einer tiefen Schale mit einem üppigen grünen Tal, durch das sich ein silbriger Flusslauf schlängelt.
    â€žWer hat das Haus gebaut?“
    â€žIch weiß nicht, vielleicht der Großvater meines Vaters. Es war schon immer da.“
    â€žEs ist eine Schande, wie wenig du dich für die Geschichte deiner Familie interessierst“, sagt Obaid, dann fällt sie ihm wohl ein, meine Familiengeschichte, und er wartet meine Antwort nicht ab. „Wie nicht von dieser Welt.“ Er drückt seine Nase an die Scheibe.
    Dann sitzen wir am Kamin und blicken auf die Sterne vor dem Fenster. Sie stehen tief und leuchten hell. Die Berge erinnern an schlafende Riesen, die sich verirrt haben.
    â€žDie Nacht ist hier anders“, sagt Obaid.
    â€žIch weiß. Es ist sehr still. Kein Verkehr.“
    â€žDas meine ich nicht. Sie kommt ganz plötzlich und gleitet dann langsam voran. Wie ein Nachen, der das Tal durchquert. Da – man hört die Ruder. Das sanfte Plätschern des Wassers …“
    â€žDas ist der Fluss unten im Tal. Er bleibt auch nachts wach. Im Gegensatz zu mir, ich bin todmüde“, sage ich.

    D er Tag kommt, als würde mir jemand freundlich auf die Schulter klopfen. Die Sonne ist ein Spiegel, der Verstecken mit den schneebedeckten Gipfeln spielt – gerade verwandelt ihr eigenes weißes Feuer sie in eine gleißende silberne Scheibe, gleich darauf wird sie von einem dunklen Schleier verhüllt.
    Obaid steht am Fenster und beobachtet eine Wolke, die sachte gegen das Glas stupst. „Kann ich sie hereinlassen? Darf ich?“, fragt er, als wollte er sich mein Lieblingsspielzeug ausleihen.
    â€žMach nur.“
    Er kämpft mit der Verriegelung. Als er das Fenster endlich aufschiebt, hat die Wolke sich in Luft aufgelöst und nichts als feinen Dunst zurückgelassen.
    â€žWas wollen wir kochen?“, ruft Obaid aus der Küche. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, aber er hat unterwegs für etwa einen Monat eingekauft.
    Colonel Shigri bleibt meinen Träumen fern. Obaid fragt nicht nach meiner letzten Nacht in diesem Haus. Er fragt mich nicht, wo und wie ich meinen Vater gefunden habe. Ich glaube, er weiß es.
    Das Arbeitszimmer ist nicht abgeschlossen, aber ich meide es. Obaid möchte die Bilder sehen. Sie hängen alle an der Wand, vollkommen durcheinander. Ungeordnet, als wäre Colonel Shigris Karriere dem Zufall gefolgt: General Akhtar und Colonel Shigri mit ein paar Mudschaheddin, die Shawls und Raketenwerfer auf den Schultern tragen. Colonel Shigri und seine bärtigen ISI-Offiziere in Zivil präsentieren die Wrackteile eines sowjetischen Hubschraubers wie Trophäen. Colonel Shigri und Bill Casey blicken über den Khyber-Pass. Casey hat den Arm um die Schulter meines Vaters gelegt. Dann ein paar ältere Bilder: Seine Kameraden sind mager, ihre Schnurrbärte gestutzt, die Orden rar, und keiner trägt einen Vollbart.

    â€ž E ines Tages musst du vielleicht das Gewicht eines Kameraden in Uniform auf deinen Schultern tragen“, erklärte mir Colonel Shigri, bedächtig an seinem Whisky nippend. Es war zwölf Stunden, bevor man ihn am Deckenventilator hängend auffand. Er war mit einem Samsonite von der Größe eines Sarges von einer seiner Dienstreisen zurückgekehrt und hielt mir einen Vortrag über pakistanische Militärgeschichte unter Berücksichtigung der abnehmenden Anforderungen an die Tauglichkeit der Soldaten.
    â€žDu bist es deinen Kameraden schuldig, durchtrainiert und in Form zu bleiben, nicht zu schwer zu werden, denn eines Tages wirst du vielleicht verwundet, und jemand muss dich auf seinem Rücken tragen. Auch das schuldet ein Soldat dem anderen: ihn in Würde zum eigenen Bunker zurückzutragen, selbst wenn er so gut wie tot ist. Verdammt, auch wenn er tot ist.“
    Die Stimme meines Vaters wurde laut, dann schwieg er für einen Moment. „Aber sieh sie dir heute an mit ihren aufgeschwemmten Bäuchen. Weißt du, warum sie sich so gehen lassen?“
    Ich starrte abwechselnd ihn und den Koffer an und fragte mich, was er diesmal mit nach Hause gebracht hatte.
    â€žWeil sie wissen, dass sie

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