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Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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…“ Er suchte nach einer Beschreibung und machte dann eine Schaufelbewegung mit der Hand. „Das Jucken kommt, weil die Würmer Tunnel machen. Tunnel.“
    General Zia nickte bedächtig. Es war das zweite Mal in drei Tagen, dass er eine Warnung vor Tunneln erhielt. Hier stand er nun, besorgt darüber, dass er in einem Walfisch gefangen war, während der Feind an seinen Innereien nagte. Ihm kam ein blasphemischer Gedanke: Was, wenn eine Armee von kleinen Jonassen in seinem Bauch gefangen war und betete, herausgelassen zu werden?
    â€žIch werde weniger Zucker essen.“
    â€žNicht weniger Zucker.“ Der Doktor präsentierte ihm eine Dose Süßstoff. „Zucker fertig. Okay? Nehmen Sie das.“
    Der Doktor schloss seine Tasche, und General Zia nahm sein Gesicht zwischen seine Hände und küsste ihn auf traditionelle arabische Weise auf beide Wangen.
    Dann fiel ihm ein, dass seine Hose ihm noch um die Knöchel hing.

    N ach dem Essen, während er den Nachgeschmack der Bittergurke genoss, sprach Bill Casey wie ein Geist mit einer nachträglichen Erkenntnis.
    â€žBruder Zia“, sagte er und tupfte sich mit seiner Serviette den Speichel aus den Mundwinkeln. „Glauben Sie, Ihre Leute wollen Sie um die Ecke bringen? Sie sollten mal die Geier über dem Kapitol sehen. Ich bin bereits ein toter Mann.“

Neun
    D as erste Tageslicht überrascht mich beim Dösen. Ich stehe an die Wand gelehnt, die Zehen in den Stiefeln verkrampft, mein durchgeschwitztes Khakihemd bis zum Nabel geöffnet. Das Licht dringt als langer dünner Strahl durch den schmalen Spalt an der Stelle, wo die Metalltür mit der Toilettenwand verklammert ist. Der Strahl beleuchtet die uralten Staubpartikel des Kerkers in der Festung von Lahore, er erhellt die Wand vor mir, offenbart Fetzen von Graffiti, gibt mir etwas zu tun, neben dem Phantasieren über unmögliche Fluchtpläne. Nach meiner Autofahrt mit Major Kiyani zum Fort hatte ich eine Gefängniszelle erwartet, die eines Offiziersanwärters würdig war, sowie ein Team von sachkundigen Ermittlern. Stattdessen bekam ich dieses Loch und meine eigene Gesellschaft.
    Der Gestank ist in meine Poren eingedrungen und ein Teil von mir geworden. Der Schlafmangel macht mich benommen, meine Lippen sind ausgedörrt und die Füße geschwollen, nachdem ich die Nacht im Stehen verbracht habe. Die halbe Nacht auf- und abzugehen – drei Schritte in die eine Richtung, zwei in die andere –, hat mir offensichtlich nicht die nötige Bewegung verschafft. Ich überlege, ob ich die Stiefel ausziehen soll. Ich bücke mich, um die gelbliche Schmiere auf dem Boden genauer in Augenschein zu nehmen, und gebe den Gedanken sofort auf. Ich strecke meine Arme und konzentriere mich stattdessen auf die Lektüre.
    Die Kritzeleien an der Wand sind in drei Sprachen verfasst, und die Autoren haben sich verschiedener Schreibmaterialien bedient. Zwei der Sprachen kann ich lesen, bei der dritten muss ich raten. Einiges ist mit den Fingernägeln eingeritzt, das erkenne ich. Das Rostfarbene ist wahrscheinlich getrocknetes Blut. Was vielleicht außerdem noch benutzt wurde, will ich gar nicht wissen.
    Es gibt Hämmer und Sicheln, Dattelpalmen und Brüste in fünfzehn Variationen. Jemand, dem es anscheinend gelungen ist, einen Kugelschreiber mitzubringen, hat eine zu beiden Seiten von Apfelbäumen gesäumte Auffahrt gemalt, die zu einem kleinen Haus führt. Meine Vorgänger hier hatten eine Menge zu sagen, Persönliches wie Politisches.
    Ich bekam hundert Peitschenhiebe und hatte meinen Spaß.
    Bete um ein leichtes Ende.
    Asien ist rot vom Blut der Märtyrer.
    Asien ist grün, möge Allah es so erhalten.
    Rosen sind rot. Veilchen sind blau. Dieses Land ist khaki.
    Fick die First Lady, nicht die Nation.
    Schrei beim ersten Hieb. Und werde nicht ohnmächtig,
    denn dann fangen sie wieder bei eins an.
    Teurer Sohn, ich habe es für deine Zukunft getan.
    Major Kiyani ist meine Hure.
    Lenin lebt.
    Ich liebe Nadia.
    Lenin war eine Schwuchtel.
    Ein persischer Zweizeiler, den ich nur annährend entziffern kann: die Geliebte, lange Locken, Schlangen . Ich glaube, ich weiß ungefähr, worum es geht.
    Ob ich selbst etwas beisteuern soll? Etwas wie: „An einem sehr heißen Abend hatte Unteroffizier Shigri einen brillanten Geistesblitz …“
    Aber dafür ist nicht genug Platz auf der Wand.

    D ie

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