Eine Klasse für sich
als Modefuzzi für die Schickeria habe ich genug Premieren und Trara mitgemacht. Das war damals notwendig, wenn auch längst nicht so notwendig, wie ich tat. Aber einem Bauträger bringt ein hoher Bekanntheitsgrad nichts als Nachteile.« Der Kellner war mit diversen Gerätschaften erschienen, und Kieran wartete, bis er uns für die kommenden Genüsse ausgerüstet hatte. »Prominenz hat natürlich gewisse
Vorzüge. Man kann an der Warteschlange in den Flieger oder ins Krankenhaus vorbeiziehen. Man bekommt einen guten Tisch in ausgebuchten Restaurants, Theater – und Opernkarten und sogar Einladungen von Menschen, die man wirklich gern kennenlernen möchte. Aber das alles bekommt man auch für Geld, und zwar ohne die Scherereien. Man wird nicht dauernd bedrängt, dies zu eröffnen und jenes zu unterstützen, weil einen ja niemand kennt. Die Zeitungen kämmen nicht die persönliche Vergangenheit durch und interviewen keine Schulfreunde, mit wem man 1963 hinter dem Fahrradschuppen rumgeknutscht hat. Mit diesem Affentheater brauche ich mich nicht herumzuschlagen. Man tritt mit Bitten um größere Spenden an mich heran, und einige davon erfülle ich. Mehr wird von mir nicht erwartet.«
»Warst du eigentlich überrascht, als das Geld kam? Ich meine, das wirklich große Geld?«
»Jeder, der solche Erfolge erlebt hat, kann dir sagen, dass die erste Reaktion absolut schizophren ist. Man denkt: Das alles für mich ? Das muss ein Irrtum sein! Gleichzeitig begrüßt man das große Glück mit der Frage: Warum erst jetzt?«
»Entscheidend ist wohl, dass man an sich selbst glaubt.«
Er nickte. »So sagt man. Aber das reicht nicht, um einen auf diese Erfahrung vorzubereiten. Der Verkauf der Läden hat viel eingebracht, aber als ich nach dem ersten Bauprojekt alles zusammenrechnete, um den Gewinn zu überschlagen, dachte ich erst, ich hätte mich um ein paar Nullen vertan. Ich konnte nicht glauben, dass das Projekt so viel abwerfen würde. Aber es war so. Und dann kam immer mehr und mehr und mehr. Und alles wurde anders.«
»Du nicht.«
»O doch. In den ersten Jahren bin ich völlig durchgedreht. Ich habe mich aufgeführt wie ein Arschloch, wie ein kleiner Diktator. Mein Zuhause, meine Kleider, meine Autos, alles musste absolut perfekt sein. Rückblickend glaube ich, dass ich einer Wahnvorstellung vom Lebensstil der Vornehmen aufgesessen und völlig auf den Holzweg geraten bin. Ich habe mich im Restaurant ständig beschwert, habe in Hotels auf Handtüchern bestimmter Farbschattierungen, auf
bestimmten Mineralwassersorten bestanden. Ich bin nicht ans Telefon gegangen, wenn Leute anriefen, die ich kannte.« Er hielt inne, erinnerte sich fassungslos an seine früheren Verrücktheiten.
»Warum denn nicht?«
»Ich dachte, wichtige Leute tun das nicht. Völlig plemplem! Sogar der Präsident der Vereinigten Staaten geht ans Telefon, wenn er den Anrufer kennt, aber ich ging nicht ran. Ich hatte ein Heer von Assistenten, denen ich stapelweise schriftliche Anweisungen hinterließ, endlose Listen. Und ich sagte Termine kurzfristig ab, das wurde richtig zur Manie. Kneifen in letzter Minute. So war ich.«
»Ich habe nie begriffen, was die Leute dazu treibt.« Dieses Phänomen greift unter den Möchtegern-Großen immer weiter um sich.
Er sog an seiner Unterlippe. »Ich begreif’s eigentlich auch nicht. Ich glaube, nach einer Zusage hatte ich das Gefühl, ich hätte mich in eine Falle manövriert, weil das Kommende außerhalb meiner Kontrolle lag. Je näher es rückte, desto größer meine Panik, und wenn es dann soweit war, fühlte ich mich außerstande hinzugehen, meist aus einem völlig unsinnigen und belanglosen Grund. Und alle diese Leute, die ich bezahlte, damit sie mir in den Hintern krochen, schleimten mir vor, meine Gastgeber würden natürlich Verständnis haben. Und so ließ ich den Termin eben platzen.«
»Wann war diese Phase zu Ende?«
»Als mich alle fallen gelassen hatten. Ich dachte immer noch, ich sei ein gesuchter Gast, bis ich eines Tages merkte, dass ich nur noch zu Pseudoereignissen eingeladen wurde, aber nie mehr zu wirklich interessanten Gesellschaften, wo ich Politiker, Künstler, Schriftsteller oder Philosophen hätte kennenlernen können. Dafür war ich einfach zu unzuverlässig.«
»Meine Großmutter hat immer gesagt: Mach nie mehr Schwierigkeiten, als du wert bist.«
»Da hatte sie völlig recht. Ich habe diese Regel gebrochen und viel mehr Schwierigkeiten gemacht, als ich wert war. Das musste ich teuer
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