Eine Klasse für sich
spirituellem Nepal leben, Haschisch rauchen und Songs aus Hair singen. Und nicht in Mrs. Thatchers Großbritannien um unsere Renten bangen.«
»So dachten viele unserer Generation. Manche sitzen heute in der Regierung.«
Kieran ließ sich in seinem Redefluss nicht aufhalten, er musste seine Geschichte bis zum Ende loswerden. »Von Joannas Standpunkt aus war ich natürlich völlig durchgeknallt, schrie herum, wenn mein Hemdkragen eine Falte hatte, feuerte das Personal, weil das Besteck nicht ordentlich genug in der Schublade lag … Für meine Extravaganzen konnte sie natürlich nichts.« Herzzerreißend, wie er sich bemühte, seiner verstorbenen Frau gerecht zu werden. Wieder seufzte er. »Wir haben um den Jungen bis aufs Blut gestritten. Sie sagte, ich würde seinen Geist vergiften und einen Faschisten aus ihm machen. Ich sagte, sie würde seinen Körper vergiften und einen Junkie aus ihm machen. Und so weiter, wir haben uns nach allen Regeln der Kunst zerfleischt. Bis sie die Bombe hochgehen ließ. Eines Morgens saßen wir beim Frühstück, in dieser vergifteten Atmosphäre, die sich einstellt, wenn man genau weiß, dass man nicht mehr lange zusammenwohnt. Wir schwiegen uns an, bis sie aufsah; offensichtlich wollte sie etwas sagen. Da nur Beleidigendes kommen konnte, zeigte ich bewusst keine Gesprächsbereitschaft. Nach einer Weile wurde es ihr zu dumm und sie platzte einfach damit heraus.«
»Womit denn?
»Dass Malcolm nicht mein Sohn sei.«
»Wie hat sie das formuliert?«
»Genau so. ›Malcolm ist nicht dein Sohn.‹«
Er machte eine Pause, damit seine Worte auf mich wirken konnten.
War meine Suche hier zu Ende? Ein seltsames Gefühl, mein Ziel erreicht zu haben, aber auch befriedigend, denn dass der Vater des Jungen sein leibliches Kind nun endlich anerkannte, versöhnte ein wenig mit Joannas Tod. Enttäuschend freilich, dass Damians Vermögen nun an die einzige Familie in ganz England ging, der das egal sein konnte.
Kieran fuhr fort: »Du hast die Hausgesellschaft in Portugal erwähnt. «
»Ja.« Wusste ich’s doch, dass wir dort landen würden.
»Sie sagte, sie hätte dort den ›Vater des Jungen‹ getroffen und gleich nach unserer Rückkehr nach London mit ihm geschlafen. Noch in derselben Nacht. Kaum waren wir vom Flughafen nach Hause gekommen, hatten wir einen wilden Streit, warum wir überhaupt hingeflogen waren; da ist sie einfach rausgerannt …« Er zuckte mit den Achseln. »Offensichtlich meinte sie Damian.« Er musste meinen Gesichtsausdruck missdeutet haben, weil er mich rasch tröstete: »Sie hatte dich immer sehr gern, aber …« Wie sollte er es in Worte fassen?
Ich kam ihm zu Hilfe. »Ich habe sie nicht interessiert.«
Wir wussten beide, dass das stimmte, da gab es nichts zu deuteln. »Nicht auf diese Weise«, bestätigte er mein lakonisches Urteil. »Und die Tremaynes ließen Joanna völlig kalt. Bleibt nur Damian. « Er unterbrach sich. Die Rückschau auf dieses verminte Terrain schmerzte immer noch. »Ich saß da, den Toast in der einen Hand und die Kaffeetasse in der anderen, während sie mein Leben zerstörte. Das tat weh. Wahnsinnig weh.«
»Natürlich.«
»Es ging nicht nur um den Jungen. Sie löschte unsere ganze gemeinsame Zeit aus, rückwirkend. Wir waren damals erst ein Jahr verheiratet, und ich hielt uns für glücklich. Ich war gegen diesen verdammten Urlaub gewesen, weil ich Angst hatte, sie würde wieder in Kreise hineingezogen, die ihr meiner Meinung nach nicht guttaten. «
»Aber du bist hingefahren, weil ihre Mutter dich unter Druck gesetzt hat. Und als ihr zurückgekommen seid, hat sie mit Damian
geschlafen.« Jetzt begriff ich wenigstens, woher seine heftige Abneigung kam.
»So ungefähr. Beim damaligen Stand der Schlacht ließ sie die Katze gern aus dem Sack, um ihren Sohn vor der üblen, dekadenten Luxuswelt zu retten, in der ich lebte. Sie dachte, dass damit alles geregelt sei. Dass ich aufgeben und mich zurückziehen würde, dass Malcolm bei ihr bleiben und ich zu Hause sitzen und schluchzend mein Geld zählen würde.«
»Aber das hast du nicht getan.«
»Natürlich nicht. Mein Name stand doch auf seiner Geburtsurkunde. Ich war mit ihr verheiratet, als er gezeugt und geboren wurde. Ich liebte ihn. Er war mein Sohn.« Aufgewühlt von den alten Kämpfen, schrie er mich fast an, aber als er mein erschrockenes Gesicht sah, fasste er sich wieder und wiederholte in einem sanfteren Ton, der jeden anderen genauso bewegt hätte wie mich: »Ich liebte ihn. Er
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