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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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Masterplan, der jetzt nie mehr umgesetzt würde. »Über den reden wir lieber nicht.«
    Wahrscheinlich hätte ich nicht in dieser Wunde stochern sollen, denn hier war Terry absolut unkalifornisch gescheitert. Wie oft hatte sie wohl bedauert, dass sie sich von Greg, der nun reich war wie Krösus, getrennt hatte? »Wie geht’s denn deiner Tochter?«

    »Susie?« Sie schien sich zu wundern, dass ich von ihr wusste. »Du erinnerst dich an Susie?«
    »Ich erinnere mich daran, dass du geheiratet und ziemlich schnell ein Kind bekommen hast. Viel früher als die meisten von uns.«
    Inzwischen war sie betrunken genug, um bei der Erinnerung eine Grimasse zu schneiden. »Das kannst du laut sagen, dass sie schnell zur Welt kam. Mann, da hab ich ganz schön hoch gepokert, kann ich dir sagen. Und beinahe verloren.« Das weckte meine Neugier, also hielt ich mich zurück und hoffte, sie würde noch mehr enthüllen. Und so war es auch. »Greg steckte damals voller Widersprüche. Er ist kreuzbrav-amerikanisch aufgewachsen, du weißt schon, mit blauäugigen Filmidolen wie Troy Donahue und Sandra Dee, Schul – und Universitätsbällen, den Beach Boys.«
    »Ich weiß.« Das Amerika meiner Jugend verhieß in machtvollen Bildern eine saubere, unschuldige Welt; in Hollywood-Filmen wären sämtliche Menschen weltweit am liebsten Amerikaner geworden, und für Greg und alle anderen gab es nichts Wichtigeres als die Frage, mit wem man ausging. Ja, eine Welt mit Scheuklappen, aber irgendwie auch einnehmend in ihrem grenzenlosen Glauben an sich selbst.
    Terry fuhr fort: »Seine Eltern waren religiös, tiefster Mittelwesten, weiter reichte ihr Horizont nicht. Aber Greg war auch ein Kind der Sechzigerjahre, redete so, benahm sich so, kiffte und alles. Du weißt ja, wie es damals war.« Natürlich wusste ich es. Eine ganze Generation wartete, in welche Richtung es weitergehen würde. Und mindestens die Hälfte tat, als wären Konventionen für sie nicht mehr von Bedeutung, was natürlich nicht stimmte. » Er hat immer gesagt, er sei noch zu jung, um eine Familie zu gründen, und ob wir nicht einfach Spaß haben könnten…«
    »Wolltest du das nicht auch?«
    Ihre Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. »Ich brauchte eine Perspektive. Eine Richtung.« Der Alkohol machte sie ehrlich. »Ich brauchte Geld.«
    »Dein Vater hatte doch Geld.«
    »Mein Vater hatte ein gutes Einkommen.« Ein feiner Unterschied,
der mir bekanntlich geläufig war. »Ich mochte Greg. Ich dachte, wir würden glücklich miteinander werden. Und ich wusste, dass er seinen Eltern nie mit einem unehelichen Kind kommen würde. « Sie machte eine Pause.
    »Damit hast du also gepokert.«
    »Genau. Wir lebten ein paar Monate zusammen, damals, wie du dich erinnerst, eine ziemlich skandalöse Sache. Dann schickte Gregs Bank ihn nach Polen, und er bat mich mitzukommen. Das habe ich getan. Trotzdem konnte er sich nicht entschließen. Da bin ich eben schwanger geworden.«
    »In Polen?«
    »Ja. Wir haben geheiratet, und Susie wurde auch in Polen geboren. In Warschau.«
    »Wie romantisch.«
    »Damals war es noch nicht so romantisch.« Das glaubte ich gern.
    »Wie haben deine Eltern reagiert?«
    »Sie waren froh. Sie mochten Greg.« Sie hielt kurz inne. »Sie haben sich getrennt. Wusstest du das?«
    »Nein, das ist mir neu. Tut mir leid.«
    »Es war besser so. Es geht ihnen beiden gut damit. Mom hat wieder geheiratet.«
    »Grüße sie von mir.« Terry nickte. »Und dein Vater? Hat er auch wieder geheiratet?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Er hat entdeckt, dass er schwul ist. Vermutlich könnte auch er wieder heiraten. Heutzutage. Aber er hat’s nicht getan.«
    »Ist er glücklich?«
    »Ich weiß es nicht genau. Er hat keinen … festen Partner. Aber er muss auch meine keifende Mutter nicht mehr ertragen.«
    Bei der Erinnerung an Verena die Schreckliche mussten wir beide lächeln. Aber wie schon tausendmal erschrak ich, welche Verrenkungen unser neues Jahrhundert uns abverlangt. Wäre es Jeff Vitkov, dem netten alten Biedermann, weitblickenden Unternehmer und Familienmenschen, in einer anderen Zeit als der unsrigen eingefallen, als Mittfünfziger seine Sexualität infrage zu stellen? Wäre er zwanzig
Jahre früher zur Welt gekommen, dann hätte er einfach angefangen Golf zu spielen, mehr Zeit mit den Freunden im Club verbracht und keinen weiteren Gedanken an die Sache verschwendet. Wäre er deshalb schlechter dran gewesen? Das möchte ich bezweifeln. Obwohl sich das Thema kaum

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