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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Fellowes
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einen Rückzieher zu machen. »Ich habe damals bei einem sozialen Projekt mitgearbeitet, das von der Botschaft finanziert wurde. Das war 1971, lange vor dem Zusammenbruch des Kommunismus. Es gab noch keine Solidarność, keine Hoffnung. Polen war ein besetztes Land, die Menschen verzweifelt. Es war nicht schwer. Ich habe eine junge Mutter mit vier Kindern ausfindig gemacht, die gerade entdeckt hatte, dass sie schon wieder schwanger war. Ich habe ihr angeboten, das Baby zu nehmen, egal ob Mädchen oder Junge, ob gesund oder behindert.«
    »Hättest du das wirklich getan?«
    Sie dachte einen Augenblick nach. »Ich hoffe«, sagte sie, eine Antwort, die sie mir sympathisch machte.
    »Aber wie hast du dann alles gedeichselt?«
    »Das war nicht weiter schwierig. Ich habe einen bestechlichen Arzt gefunden.« Sie muss mir den Schock vom Gesicht abgelesen haben, weil sie ziemlich wütend wurde. »Herr im Himmel, die meiste Zeit hat er Teenagern Drogen verschrieben. War mein Anliegen vielleicht schlimmer?«
    »Natürlich nicht.«
    »Ich habe die Schwangerschaft erst ›bemerkt‹, als ich schon ›im sechsten Monat‹ war. Dann habe ich Greg gesagt, ich würde mich beim Sex nicht mehr wohlfühlen, und mit seiner puritanischen Erziehung ging es ihm genauso. Dann habe ich ihn gefragt, ob es ihm etwas ausmache, nicht bei der Geburt dabei zu sein, weil mir der Gedanke ganz und gar nicht behage. Mann, war er erleichtert! Wenn dir der Vater heute nicht zwischen die Beine glotzt, sobald das Köpfchen sichtbar wird, gilt er als schlechter Mensch, aber 1971 standen wir noch nicht unter solchen Zwängen.«
    »Und die Geburt selbst?«
    »Ich hatte ziemliches Glück, als Greg kurz davor nach New York beordert wurde. Ich hatte ihm ein Datum drei Wochen nach dem wirklichen Geburtstermin genannt, damit ich Zeit zum Organisieren hätte. Eigentlich wollte ich mich gleichzeitig mit der Mutter in die Klinik einweisen lassen, in ein anderes Zimmer. Das hätte wohl auch geklappt, war aber nicht einmal nötig. Die Mutter kam in die
Wehen, und ich brachte sie in die Klinik, wo sie, unserem Arzt sei’s gedankt, einfach meinen Namen angab. Das Baby kam zur Welt, die Eintragung beim Standesamt war reine Routinesache. Als Greg von seiner Reise zurückkehrte, wartete ich zu Hause mit der kleinen Susie auf ihn. Wir heulten Rotz und Wasser. Alle waren glücklich.«
    »Und der Betrug flog nie auf?«
    »Warum sollte er? Ich habe Greg gesagt, dass ich ihn liebe, aber erst Sex mit ihm haben könne, wenn ich wieder in Form wäre. Er schöpfte keinen Verdacht. Niemand kam dabei zu Schaden. Auch Susie nicht.« Es war ihr anzusehen, dass sie davon überzeugt war, und auch ich bin versucht zu sagen, dass sie tatsächlich recht hatte, obwohl man in solchen Dingen nie ganz sicher sein kann. Auch wenn ich gegen den momentanen Trend bin, Babys bei erwiesenermaßen unfähigen Müttern zu lassen, anstatt ein anständiges Zuhause für sie zu finden. Terry war mit ihrer Geschichte fast am Ende. »Einige Zeit dachte ich, der Arzt würde mich vielleicht erpressen, aber das hat er nicht getan, und damit war die Sache erledigt. Vielleicht hatte er Angst, selbst erpresst zu werden.«
    »Und es hat nie medizinische Untersuchungen gegeben, die das Ganze aufgedeckt haben?«
    »Was für Untersuchungen? Beide haben Blutgruppe 0, worüber ich ziemlich erleichtert war. Aber wer lässt schon an seiner eigenen Tochter einen Vaterschaftstest durchführen?«
    »Hat Greg noch mehr Kinder?«
    »Keine eigenen. Zwei Stiefkinder. Er liebt Susie über alles und sie ihn genauso.« Sie seufzte matt. »Sie mag ihn viel lieber als mich.«
    Ich nickte. »Er wird also für sie sorgen.« Aus unerklärlichen Gründen war ich froh darüber. Susie hatte knapp ein Riesenvermögen verpasst, das sie in meiner überbordenden Fantasie zwei, drei Minuten lang besessen hatte. Nun fand ich es tröstlich, dass sie zumindest nie Mangel leiden würde.
    »Auf jeden Fall. Sie ist besser abgesichert, als ich es jemals sein werde.«
    Mir lag noch eine Frage auf der Zunge. »Hättest du mich belogen, wenn ich nichts von dem Test gesagt hätte?«

    Sie dachte kurz nach. »Wahrscheinlich. Die Versuchung war zu groß. Aber natürlich wäre ich am Schluss über irgendeine Hürde gestolpert, deshalb bin ich froh, dass du den Test erwähnt hast. Bevor ich mich allzu sehr in mein Glück reinsteigern konnte.«
    Wieder war es Zeit, mich zu verabschieden, und diesmal wusste ich genau, dass wir uns nicht wiedersehen würden.

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