Eine königliche Affäre
Köpfchen, an die nackte Brust seiner Mutter geschmiegt … der kleine Körper in rauen Gefängnislaken …
Seit seinen Kindertagen hatte er nicht mehr geweint, doch jetzt verschleierten Tränen seinen Blick, und Sebastian fühlte sich schrecklich schuldig wegen der Härten, die sein kleiner Sohn und seine blutjunge Mutter hatten durchstehen müssen.
„Von seinem vierten Lebensjahr habe ich kaum Bilder“, sagte Cassie irgendwann heiser.
„Warum nicht?“
„Da hatte man ihn mir bereits weggenommen, und das Pflegepersonal im Heim hat nicht daran gedacht, Fotos von ihm zu machen und sie mir zu schicken. Warum sollten sie auch? Ich war ja nur eine Kriminelle …“
Der Druck in seiner Brust wurde so stark, dass Sebastian kaum noch atmen konnte. „Darf ich die Alben ein paar Tage behalten? Ich würde mir gern Kopien von den Fotos machen.“
„Ja, natürlich …“, erwiderte sie nach unmerklichem Zögern. „Aber geh bitte vorsichtig damit um. Einige sind verlorengegangen und andere sind wegen der Feuchtigkeit im Gefängnis zerfallen und nicht mehr zu ersetzen gewesen.“
„Ich werde sie hüten wie meinen Augapfel“, versprach er rau. „Danke, dass du sie mir gezeigt hast. Ich kann dir nicht sagen, was mir das bedeutet.“
Cassie presste die Lippen zusammen und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Dann sprang sie auf und schlang die Arme um den eigenen Körper.
„Ich wollte ihm so gern geben, was er verdient!“, stieß sie mit bebender Stimme hervor. „Und ich habe schreckliche Angst, dass er das Trauma, zwangsweise von mir getrennt zu sein, nie ganz überwinden wird. Dieses Jahr, als er allein im Waisenhaus sein musste …“ Cassie brach ab und rang um Fassung. „Ich war doch nicht da, um ihn zu beschützen! Was, wenn ihn jemand gequält oder verletzt hat, wie mein Vater es mit mir …?“
Erneut brach sie ab und schlug die Hände vors Gesicht.
„Ich war doch nicht da, um ihn zu beschützen … so, wie bei mir niemand war, der mich hätte beschützen können …
„Caz … dein Vater …“ Sebastian erstickte fast an dem Wort. Wie in Zeitlupe legte er die Alben zur Seite und erhob sich vom Sofa. „Willst du damit sagen, dein Vater hat dich misshandelt?“
Sie konnte nicht sprechen. Aufsteigende Tränen erstickten ihre Stimme und nahmen ihr die Luft zum Atmen. Und als Sebastian ihr sanft die Hände vom Gesicht zog, liefen die Tränen ungehindert die blassen Wangen herab. Wortlos zog er Cassie in seine Arme und wiegte sie hin und her wie ein kleines Kind.
„Tut mir leid …“ Sie versuchte, ihn wegzustoßen, doch das ließ Sebastian nicht zu. Allerdings gab er ihr genug Raum, damit sie nicht in Panik geriet.
„Erzähl mir alles, Caz“, forderte er ruhig. „Hier bei mir bist du sicher. Niemand wird dir etwas tun, das werde ich nicht erlauben.“
Mit schwimmenden Augen schaute sie zu ihm auf, und unter ihrem schmerzerfüllten Blick fühlte sich Sebastian noch elender als zuvor. Konnte es sein, dass er in die gleiche Falle getappt war wie alle anderen, die ihr nicht geglaubt und sie wegen ihres rebellischen Benehmens vorverurteilt hatten, ohne überhaupt nach den Gründen für ihr auffälliges Verhalten zu fragen?
„Er hat mir den Arm gebrochen … da war ich gerade mal vier Jahre alt.“ Plötzlich flossen die Worte aus ihr heraus. Sie schien sie gar nicht mehr zurückhalten zu können, selbst wenn sie es gewollt hätte. „Auf dem Weg ins Krankenhaus sagte er, wenn ich es irgendjemand verriete, würde er noch viel Schlimmeres mit mir anstellen. Ich sollte behaupten, aus dem Bett gefallen zu sein. Ich … ich hatte so schreckliche Angst. Es war ja nicht das erste Mal, dass er mich schlug. Aber danach passte er auf, dass es nicht gleich auffiel. Immerhin war er ein hoch angesehener Mann, der einen Ruf zu verlieren hatte …“
Entsetzt zog Sebastian sie wieder an seine Brust. „Oh, Cassie …“, murmelte er erstickt in ihr Haar. „Meine arme Caz …“
„Als Teenager habe ich mich gegen ihn gewehrt, indem ich mich wie eine verzogene Göre aufführte, nur um ihn bloßzustellen. Ich konnte ja niemandem von den Misshandlungen erzählen, aber irgendwie wollte ich auf mich aufmerksam machen und mich wahrscheinlich auch an ihm rächen“, erzählte sie mit der gleichen monotonen Stimme wie zuvor weiter. „Darüber habe ich leider die Konsequenzen für mein eigenes Leben übersehen …“
„Verdammt, Caz! Du warst doch kaum mehr als ein Kind!“
„In der Nacht, als
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