Eine Krone für Alexander (German Edition)
über den
Saal.
Amyntas trat zu seiner Braut und schlug ihren Schleier zurück,
und die Hochzeitsgäste brachen in bewundernde Ahs und Ohs aus. So entsprach es
dem Brauch, doch Kynnana verdiente die ihr gezollte Bewunderung tatsächlich.
Wie ihre Mutter war sie eine große und attraktive Frau, größer als Alexander,
und wie er hatte sie blonde Haare und helle Augen, die sie beide, wenn er
Eurydika ausnahmsweise einmal Glauben schenken konnte, von ihrem Großvater
geerbt hatten.
Selbstbewusst ließ Kynnana ihren Blick durch die Menge
schweifen, dann lächelte sie, als Amyntas ihr seine Hand reichte. Er führte sie
zu einem Tisch, auf dem ein Brotlaib lag, zog sein Schwert und teilte das Brot
in zwei Hälften. Eine davon reichte er Kynnana, und das Brautpaar aß gemeinsam.
Damit galt die Ehe als geschlossen. Die Gäste brachen in Jubelrufe aus. Audata
strahlte und genoss die ihr erwiesene Ehre, wahrscheinlich die höchste, die ihr
je zuteilgeworden war, seit sie vor fast zwanzig Jahren selbst eine Braut
gewesen war.
Es war Parmenion, der den ersten Trinkspruch ausbrachte.
„Ein Hoch auf Kynnana, die älteste Tochter unseres geliebten Königs Philipp und
seiner hoch geschätzten Gemahlin, der Königin …“ – er blinzelte verschmitzt –
„… Eurydika!“
Die Gäste kicherten, hoben ihre Becher und tranken.
Noch einmal hielt Parmenion seinen Becher in die Höhe. „Und
nun auf Amyntas, den Sohn des Perdikkas …“ (Befriedigt nahm Alexander zur
Kenntnis, dass Parmenion ihn nicht als Sohn des Königs Perdikkas bezeichnete.) „… und seiner Gemahlin Stratonika!“
Wieder wurde getrunken, doch immer noch war Parmenion mit
seinen Trinksprüchen nicht zu Ende. „Und nun trinken wir auf das gemeinsame
Wohl des Brautpaares! Mögen die Götter Amyntas und Kynnana ein langes,
glückliches Leben zusammen vergönnen! Mögen sie ihnen viele Kinder schenken!
Starke, mutige Söhne – und Töchter, die so schön sind wie ihre Mutter … und
ebenso so stark und mutig wie sie!“
Nur zu gern waren die Gäste bereit, sich über die gewagte
Anspielung zu amüsieren. Alexander wurde allmählich schwummrig vom Wein. Wenn
alle Gratulanten so großzügig Trinksprüche ausbrachten, würde die
Hochzeitsgesellschaft hoffnungslos betrunken sein, bis alle Gäste ihre
Glückwünsche angebracht hatten.
Tatsächlich waren die meisten schon unsicher auf den Beinen,
als man zum obligatorischen Hochzeitszug durch die Stadt aufbrach. Der
Bräutigam machte hoch zu Ross den Anfang, begleitet von seinem Brautführer, dem
anderen Amyntas. Ein Herold forderte in den Straßen lautstark Platz für „die
edle Kynnana, die Tochter von König Philipp und Königin Eurydika“. Dann kam die
Braut auf ihrem Prunkwagen, gefolgt von den Karren mit ihrer Aussteuer und den
Geschenken des Bräutigams. Dahinter ritten die Verwandten des Brautpaars, und
zum Schluss folgte der Rest der feuchtfröhlichen Gesellschaft, alle mit Fackeln
in den Händen und hingebungsvoll die traditionellen Hochzeitsgesänge
schmetternd. Sinn der Prozedur war es eigentlich, die Braut ins Haus ihres
Bräutigams zu geleiten, doch da das neue Heim sich in diesem Fall ebenfalls im
Palast befand, landeten alle schließlich wieder da, wo sie aufgebrochen waren.
Amyntas und Kynnana wurden in ihr liebevoll hergerichtetes
Hochzeitsgemach verfrachtet und unter anzüglichem Gefeixe miteinander ins Bett
gesteckt. Dann schloss man die Tür, vor der der Brautführer den Rest der Nacht
Wache halten würde. Die jüngeren Hochzeitsgäste rissen derweil schmutzige Witze
auf Kosten des Brautpaares.
„Amyntas ist ein Glückspilz! Wir müssen es wissen, denn wir
alle haben schon mal gesehen, wie seine Braut untenrum aussieht!“
„Hoffentlich verwechselt er sie im Hochzeitsbett nicht mit
einem feindlichen Krieger!“
„Hoffentlich verwechselt sie ihn
nicht und verarbeitet ihn versehentlich zu Hackfleisch!“
„Einen Vorteil hat es jedenfalls: Amyntas muss nicht
großartig umdenken, sollte er eher auf Jungen stehen.“
„Die zwei sind ohnehin zu besoffen, um heute Nacht noch viel
zustande zu bringen!“
„Zustande ist gut!“
Zusammen mit den anderen Hochzeitsgästen kehrte Alexander in
den Saal zurück. Je weiter der Abend voranschritt, umso ausgelassener wurde die
Stimmung. Der Wein floss in Strömen, Geschrei und Gelächter wurden immer
lauter. Schon bald lag ein Teil der Gäste benebelt auf den Klinen, während
andere sich mit den Tänzerinnen und Flötenspielerinnen befassten.
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