Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge
die Blase zu kommen, den Stein
zu finden und ihn herauszuholen. Der hatte etwa die Größe eines Tennisballs, der im siebzehnten Jahrhundert zwar etwas kleiner war als ein moderner, aber immer noch von beträchtlichen Ausmaßen. Pepys hatte außerordentliches Glück, wie Liza Picard schreibt, denn er wurde an dem Tag als Erster von dem Chirurgen operiert, und die Instrumente waren noch einigermaßen sauber. Obwohl der Eingriff so schnell gegangen war, brauchte Pepys mehr als einen Monat, bis er sich erholt hatte.
Kompliziertere Operationen waren schlicht und ergreifend grässlich. Es ist schon kein Vergnügen, darüber zu lesen, doch wie es realiter gewesen sein muss, kann man eigentlich nicht ermessen. 1811 litt die schon einmal erwähnte Romanautorin Fanny Burney, die damals in Paris lebte, an so schlimmen Schmerzen in der rechten Brust, dass sie den Arm nicht mehr heben konnte. Man diagnostizierte Brustkrebs und ordnete eine Operation an. Beauftragt wurde damit ein berühmter Chirurg namens Baron Larrey, dessen Ruhm weniger darauf basierte, dass er Leben rettete, als darauf, dass er blitzschnell arbeitete. Später wurde er berühmt, weil er nach der Schlacht von Borodino zweihundert Amputationen in vierundzwanzig Stunden durchzog.
Fanny Burneys Bericht über die Operation ist vor allem auch wegen der Gelassenheit, mit der sie das Martyrium schildert, so unerträglich. Fast so schlimm wie die Amputation selbst war die Qual des Wartens darauf. Während die Tage verstrichen, wurden Angst und Furcht überwältigend und sogar noch grausiger, als sie am Morgen des anberaumten Tages erfuhr, dass der Chirurg mehrere Stunden später kommen werde. Sie schreibt in ihr Tagebuch: »Ich lief vor und zurück, bis ich alle Emotionen abgetötet hatte, und wurde, nach und nach, dumpf — apathisch, ohne Gefühl oder Bewusstheit — und blieb so, bis die Uhr drei schlug.«
Dann hörte sie in rascher Folge vier Kutschen anrollen. Sekunden später traten sieben ernst dreinblickende Männer in Schwarz ins Zimmer. Burney bekam einen Beruhigungstrunk — sie erzählt nicht, was, aber üblicherweise war Wein mit Laudanum im Angebot, und ein Bett wurde in die Mitte des Zimmers geschoben (mit altem Bettzeug, damit man keine gute Matratze oder Bettwäsche beschmutzte).
»Nun begann ich heftig zu zittern«, schrieb Burney, »mehr vor Ekel und Entsetzen angesichts der Vorbereitungen als vor Schmerzen. [...] Ohne dass man mich aufforderte, stieg ich auf die Bettstatt, und M. Dubois rückte mich auf der Matratze zurecht und legte mir ein Gazetuch aufs Gesicht. Das aber war durchsichtig, und ich sah, dass das Bett sofort von den sieben Männern und meiner Pflegerin umstanden war. Ich wollte nicht festgehalten werden, doch als ich hell durch die Gaze das Glitzern polierten Stahls sah — schloss ich die Augen [...].« Als sie erfuhr, dass die Ärzte die gesamte Brust entfernen wollten, wurde sie von einem »aller Beschreibung spottenden Entsetzen« überwältigt. Und als das Messer schließlich in sie schnitt, stieß sie »einen Schrei aus, den ich mit Unterbrechungen während des gesamten Schneidens ausstieß — und ich wundere mich fast, dass er nicht immer noch in mir nachhallt, so grauenhaft war der Schmerz. Als ich aufgeschnitten war und das Instrument weggenommen wurde, schien der Schmerz unvermindert anzuhalten [...] doch als ich das Instrument wieder spürte — als es einen Bogen beschrieb und gegen den Strich schnitt, wenn ich das so sagen kann, denn das Fleisch widersetzte und sträubte sich gegen die Hand des Operateurs, die müde wurde, so dass er es von der rechten in die linke Hand nehmen musste —, da, ja, da dachte ich, ich würde den Geist aufgeben. Ich versuchte nicht mehr, die Augen noch einmal zu öffnen.«
Doch die Operation war noch nicht zu Ende. Die Chirurgen schabten krankes Gewebe weg, und sie spürte und hörte, wie die Klinge auf ihren Rippen kratzte. Die Prozedur dauerte insgesamt siebzehneinhalb Minuten. Fanny Burney brauchte Monate, um sich zu erholen. Doch ihr Leben war gerettet. Sie lebte noch neunundzwanzig Jahre, und der Krebs kehrte nie mehr zurück.
Kein Wunder übrigens, dass viele Menschen vor lauter Schmerzen und der Angst vor Ärzten dazu getrieben wurden, extreme Heilmethoden in Heimarbeit zu versuchen. Gouverneur Morris, einer der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, brachte sich sogar um, nachdem er sich eine Walgräte in den Penis geschoben hatte, um eine
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