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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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die viele Archäologen nach eigenem Bekunden bewogen haben, den Beruf zu ergreifen. Vor allem aber war er ein origineller Denker, und genau zu der Zeit, als er in Skara Brae herumstocherte, hatte er die vielleicht größte und originellste Idee der Archäologie des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Traditionell wird die Vergangenheit der Menschen in drei sehr unterschiedlich lange Epochen unterteilt: die paläolithische (oder altsteinzeitliche), die vor 2,5 Millionen Jahren begann und bis vor ungefähr zehntausend Jahren ging, die mesolithische (mittelsteinzeitliche), die die Periode des Übergangs von der Jäger-und-Sammler-Lebensweise zum weitverbreiteten Beginn des Ackerbaus bezeichnet und viertausend Jahre dauerte, und die neolithische
    (neusteinzeitliche), die die letzten, extrem kreativen circa zweitausend Jahre bis zur Bronzezeit umfasst. Innerhalb aller drei Perioden gibt es viele weitere Unterteilungen — Oldowan, Mousterien, Gravettien und so weiter —, doch sie interessieren hauptsächlich Spezialisten und sollen uns hier nicht weiter beschäftigen.
    Festhalten lässt sich aber, dass wir in den ersten 99 Prozent unserer Geschichte als Menschen nicht viel mehr getan haben, als uns fortzupflanzen und zu überleben. Dann jedoch entdeckten Menschen überall auf der Welt Ackerbau und Viehzucht, die Kunst der Bewässerung, das Schreiben, die Architektur, das Regieren und all die anderen Raffinessen des Seins, die zusammen das ausmachen, was wir liebevoll Zivilisation nennen. Dieser Moment ist oft als folgenreichstes Ereignis in der menschlichen Geschichte beschrieben worden, und der Erste, der das in vollem Umfang erkannte und den gesamten komplexen Prozess begrifflich fasste, war Vere Gordon Childe. Er sprach von der »neolithischen Revolution«.
    Sie bleibt eines der großen Mysterien der Menschheitsentwicklung. Die Wissenschaftler können uns genau sagen, wo und wann sie passierte, aber immer noch nicht, warum. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (na ja, meinen wir zumindest) spielten große Klimaveränderungen eine Rolle. Vor etwa zwölftausend Jahren begann sich die Erde recht schnell zu erwärmen und wurde dann für ein ganzes Jahrtausend aus unbekannten Gründen abrupt wieder bitterkalt, als schnaufte die Eiszeit noch ein letztes Mal auf. Diese Periode wird von den Wissenschaftlern Jüngere Dryas genannt. (Nach einer arktischen Pflanze, der Silberwurz oder Dryas octopetala, die zu den Ersten gehört, die nach dem Abtauen einer Eisplatte anfängt, wieder zu wachsen. Es gab auch eine Ältere Dryas, doch die war für die menschliche Entwicklung belanglos.) Nach zehn weiteren Jahrhunderten beißender Kälte jedenfalls erwärmte sich die Erde abermals rasch und ist seitdem vergleichsweise warm geblieben. Fast alles, was wir als höher entwickelte Wesen geschaffen haben, passierte in diesem kurzen Zeitraum klimatischer Herrlichkeit.
    Interessant an der Neolithischen Revolution ist, dass sie überall auf der Erde stattfand, unter Menschen, die keine Ahnung davon hatten, dass weit von ihnen entfernt andere genau das Gleiche taten. Ackerbau und Viehzucht wurden unabhängig voneinander mindestens sieben Mal erfunden — in China, Neuguinea, den Anden, Mexiko, Westafrika, im Nahen Osten und im Amazonasbecken. Auch Stadtsiedlungen entstanden gleichzeitig an sechs verschiedenen Orten — in China, Ägypten, Indien, Mesopotamien, Mittelamerika und in den Anden. Dass das überall auf dem Globus geschah, oft ohne dass die Menschen irgendeine Möglichkeit zu Kontakten hatten, ist auf den ersten Blick beinahe unheimlich. Ein Historiker drückte es so aus: »Als Corts in Mexiko landete, fand er Straßen, Kanäle, Städte, Paläste, Schulen, Gerichtshöfe, Märkte, Bewässerungsanlagen, Könige, Priester, Tempel, Bauern, Handwerker, Armeen, Astronomen, Kaufleute, Sport, Theater, Malerei, Musik und Bücher vor« — alles vollkommen unabhängig von ähnlichen Entwicklungen auf anderen Kontinenten entstanden. Manche Dinge sind auch auf den zweiten Blick unheimlich. Hunde wurden zum Beispiel in grob der gleichen Zeit an Orten domestiziert, die so weit voneinander entfernt lagen wie England, Sibirien und Nordamerika.
    Die Vorstellung, dass auf dem ganzen Globus allen Menschen zur gleichen Zeit plötzlich ein Licht aufging, ist zwar verlockend, doch weit übertrieben. Diese Entwicklungen brauchten meist sehr, sehr lange. Versuch und Irrtum und erneute Anpassung folgten aufeinander, oft über einen Zeitraum von Tausenden

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