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Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge

Titel: Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Mann nach Indien gegangen war und sich mit der Herstellung von Schießpulver eine goldene Nase verdient hatte. Als er 1814 nach England zurückkehrte, ließ er sich in London nieder, vernachlässigte sein wunderschönes Haus am Portman Square aber sträflich. Auch sich selbst vernachlässigte er sträflich. So sehr, dass er, wenn er in seinem Viertel unterwegs war, manchmal angehalten und als Stadtstreicher verdächtigt und verhört wurde. Er kaufte Fonthill, hielt sich dort aber kaum auf.
    Doch am spektakulärsten Tag der kurzen Existenz von Fonthill Abbey wohnte er dort: Kurz vor Weihnachten 1825 stieß der Turm ein lang gedehntes Ächzen aus und kollabierte ein drittes und letztes Mal. Ein Diener wurde von dem Luftzug zwar fünfzehn Meter durch einen Korridor gefegt, doch wie durch ein Wunder weder er noch jemand anderes verletzt. Etwa ein Drittel des Hauses lag unter dem Trümmerhaufen des Turms und sollte nie wieder bewohnbar werden. Farquhar behielt angesichts dieses Missgeschicks die Ruhe; die Pflege des Hauses sei ja nun sehr vereinfacht, war sein Kommentar. Er starb im Jahr darauf, ungeheuer reich, aber ohne ein Testament zu hinterlassen, und seine sich kabbelnde Verwandtschaft wollte das Haus nicht haben.
    Beckford wiederum zog sich mit seinen 300 000 Pfund nach Bath zurück, wo er einen fast fünfzig Meter hohen Turm in klarem, klassizistischem Stil errichten ließ. Der bekam den Namen Lansdown Tower, wurde mit guten Materialien und großer Umsicht und Sorgfalt gebaut und steht heute noch.
    II.
    Mit Fonthill war nicht nur der Gipfel an Ehrsucht und Narretei im privaten Hausbau erreicht, sondern auch der der Unbequemlichkeit. Je mehr Arbeit und Geld in ein Haus gesteckt wurden, desto weniger wurde offenbar auf die Wohnlichkeit desselben Wert gelegt. Das große Zeitalter des Hausbaus brachte bisher nie gekannte Eleganz und Grandiosität, doch so gut wie nichts an Weichheit und Wärme, Behaglichkeit und Bequemlichkeit.
    Dafür sollte ein neuer Typ Mensch sorgen, der eine Generation zuvor noch nicht existiert hatte: der Bürger mit der gehobenen Bildung. Natürlich hatte es immer Menschen gegeben, die zwischen Adel und Bauern standen, doch als Gruppe und gesellschaftliche Kraft, mit der zu rechnen war, war die Mittelklasse, das Bürgertum, ein Phänomen des achtzehnten Jahrhunderts. Den Begriff »Mittelklasse« gab es erst seit 1745 (ausgerechnet in einem Buch über den irischen Wollhandel), doch hinfort wimmelte es in den Straßen und Kaffeehäusern Großbritanniens von selbstbewussten, eloquenten, begüterten Leuten, von Bankern, Anwälten, Künstlern, Verlegern, Innenarchitekten, Handelsleuten, Bauunternehmern und überhaupt Zeitgenossen, die etwas schaffen und bewegen wollten. Die neue, wachsende Mittelklasse leistete nicht nur den sehr Reichen gute Dienste, sondern auch, und zwar lukrativer, sich selbst. Die moderne Gesellschaft nahm Gestalt an.
    Mit dem erstarkenden Bürgertum stieg die Nachfrage nach Waren immens. Plötzlich gab es Massen von Menschen mit prächtigen Stadthäusern, die alle eingerichtet werden mussten, und genauso plötzlich war die Welt voller begehrenswerter Waren, die das ermöglichten. Teppiche, Spiegel, Gardinen, gepolsterte und bestickte Möbel und Hunderte andere Dinge, die man vor 1750 kaum in Privathäusern fand, waren nun gang und gäbe.
    Auch das Anwachsen des Britischen Empire und der britischen Geschäftsinteressen in Übersee hatte dramatische Auswirkungen, oft auf ganz unerwartete Weise. Nehmen wir etwa die Auswahl an Holz, die man plötzlich hatte. Als Großbritannien eine isolierte Insel war, stand den Möbelschreinern im Wesentlichen ein Holz zur Verfügung: Eiche. Eiche ist ein feines Material, solide, haltbar, buchstäblich hart wie Eisen, doch geeignet ist sie eigentlich nur für massive, klotzige Möbel — Kästen, Betten, schwere Tische und dergleichen. Der Ausbau der britischen Handelsflotte und der immer lebhaftere Warenaustausch brachten es nun mit sich, dass man die unterschiedlichsten Hölzer kaufen konnte: Nussbaum aus Virgina, Rosenholz aus North und South Carolina, Teak aus Asien. Im häuslichen Bereich sorgte das für weitreichende Veränderungen, einschließlich dessen, wie die Leute saßen, miteinander plauderten und Gesellschaften veranstalteten.
    Das beliebteste Holz war Mahagoni aus der Karibik. Es hatte einen wunderschönen Glanz, verzog sich nicht und war unglaublich gut zu bearbeiten. Man konnte es perfekt zu den feinen Formen des

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