Eine Lady nach Maß
dann mit Fangnetzen auffangen musste.
„Welche Farbe soll der Ball haben?“, fragte Tessa, als Hannah neben sie trat und einen Blick in die Kiste warf. Die Bälle waren mit bunt gestreiften Bändern geschmückt. Drei waren noch übrig: rot-weiß, grün-gelb und braun-orange.
„Such du einen aus. Nur nicht orange.“ Sie zog die Nase kraus und Tessa kicherte. Schon vor einiger Zeit waren sich die beiden darüber einig geworden, dass Orange nur bei runden Früchten, Blumen und Schmetterlingen gut aussah.
Tessa entschied sich für den Ball mit den rot-weißen Bändern und ging mit ihrem Fangnetz und dem Ball etwas weg. Die Bänder flatterten munter hinter ihr her. Tessa drehte sich um und schwang den Ball in der Hand hin und her.
„Bereit?“
Hannah nickte und stellte sich in Position. „Bereit.“
Mit einer schnellen Bewegung warf Tessa den Ball in ihre Richtung. Hannah schwenkte ihr Fangnetz und versuchte, den Ball zu erwischen. Aber Tessas Wurf war viel zu kurz für die Entfernung, die zwischen ihnen lag. Doch Hannahs Ehrgeiz wollte diesen Punkt nicht verschenken, also raffte sie ihren Rock und sprang nach vorne. Geschickt fing sie den Ball auf, kurz bevor er den Boden berührte.
„Das war prima!“, rief Tessa. „Gut gefangen, Hannah. Noch neun Punkte, bis du gewonnen hast!“
Hannah lag sieben zu fünf vorne, als Cordelia und Ike sich zu ihnen gesellten, um ihnen zuzuschauen. Die junge Frau hatte sich bei Ike untergehakt und strahlte über das ganze Gesicht. Hannah lächelte, als sie das Paar sah, und bemerkte nicht, dass Tessas nächster Wurf über ihren Kopf davonflog.
„Ha! Daneben. Sechs zu sieben.“
Hannah bückte sich, um den Ball vom Boden aufzuheben. „Na gut, Tessa. Versuch mal, den hier zu fangen.“ Hannah warf ein bisschen höher als vorher, doch Tessa sprang hoch und erwischte den Ball mit ihrem Netz.
„Ich hab ihn!“ Sie sprang jubelnd auf und ab, was ihr ein Lächeln von Mrs Paxton einbrachte, die gerade mit einem Limonadenglas vorbeikam.
„Gut gefangen, junge Dame“, sagte die Frau des Bankiers. „Aber denk dran, dass es bei diesem Spiel vor allem um Eleganz geht und nicht darum, wie ein Floh herumzuhüpfen.“
Hannah fragte sich, ob dieser Hinweis auch ihr gegolten hatte. Inzwischen hatten sich einige Kinder Spielgeräte geholt, doch eine erwachsene Frau konnte Hannah darunter nicht entdecken.
Hannah wusste, dass sie sich ein bisschen zurückhalten müsste. Vor allem jetzt, wo Margaret Paxton sie bemerkt hatte. Mrs Paxton war die mit Abstand eleganteste und vornehmste Bürgerin Coventrys, ohne sich jedoch über die anderen zu erheben. Das war eine bemerkenswerte Gabe, die die innere Größe zeigte. Die Frau des Bankiers wäre die ideale Kundin für eine Schneiderin, die versuchte, die innere Schönheit mit der äußeren zu kombinieren.
Der Ball flog wieder auf Hannah zu und riss sie aus ihren Gedanken. Rasch bückte sie sich zur Seite, um nicht getroffen zu werden, doch leider war sie nicht mehr in der Lage, den Ball zu fangen. Tessa jauchzte so triumphierend, dass Hannah sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Sie warf den Ball zurück.
„Sei vorsichtig, jetzt haben wir gleich viele Punkte.“
„Du meinst also, dass du gewinnst?“ Hannah winkte mit dem Netz in Tessas Richtung. „Zeig mir deinen besten Wurf.“
In ihrer Begeisterung warf Tessa den Ball fest, aber leider in die falsche Richtung. Er flog direkt auf Cordelia und Ike zu, die bei Mrs Paxton standen und sich angeregt unterhielten.
„Achtung!“, rief Hannah, da sie wusste, dass sie diesen Ball nicht mehr erreichen könnte.
Mrs Paxton wandte sich um. Mit einer geschickten Bewegung fing sie den Ball mit der Hand auf und warf ihn lächelnd zurück zu dem Mädchen.
Hannah starrte die vornehme Dame fassungslos an.
„Bravo, meine Liebe!“, rief Elliott Paxton aus einiger Entfernung. „Genau wir früher, nicht wahr, Maggie?“
Eine leichte Röte stieg Mrs Paxton ins Gesicht, als sie die Bemerkung ihres Mannes mit einer Handbewegung beiseitewischte. Aber danach wandte sie sich Hannah zu.
„Schauen Sie mich nicht so überrascht an, junge Dame“, sagte sie. „Ich war nicht immer die gesetzte Ehefrau eines Bankiers.“
Hannah musste grinsen.
„Ich habe gerade Miss Tucker zu ihrem wunderschönen neuen Kleid beglückwünscht“, fuhr Mrs Paxton fort. „Es ist außergewöhnlich, wie gut es zu Miss Tucker passt. Und sie sagte mir, Sie seien für dieses Kleid verantwortlich.“
Aufregung fuhr
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