Eine Lady nach Maß
Kinder wurden krank und genasen wieder. Das machte sie nicht zu etwas Besonderem.
„Auf dem Heimweg schaue ich bei Hannah vorbei.“ Delia grinste ihn frech an. Sie hielt den Korb umklammert, als müsste sie ihre Hände davon abhalten, fröhlich zu klatschen. „Wir wollen schon mal einen Stoff für mein Kleid aussuchen.“
J.T. runzelte die Stirn. „Ich hatte gehofft, dass du diesen Quatsch wieder aufgegeben hättest.“
„Es ist nur ein Kleid, J.T. Ich verwandle mich jetzt nicht in eine modeversessene Irre. Dafür hast du mich zu gut erzogen. Ich will zum Picknick am Gründungstag einfach nur ein hübsches Kleid tragen. Das ist alles.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich breitbeinig vor ihr auf. „Langsam finde ich, dass du zu viel Zeit mit Miss Richards verbringst. Sie hat einen schlechten Einfluss auf dich.“
Delia schnappte nach Luft und ließ fassungslos den Korb sinken. „Wie kannst du das nur sagen? Sie ist meine beste Freundin und hat nichts falsch gemacht. Sie ist freundlich und höflich zu allen hier. Sogar zu dir, obwohl du es am allerwenigsten verdient hast.“
„Sie führt ein Geschäft voller Versuchungen“, stellte J.T. klar und deutete mit dem Zeigefinger in Richtung des Streitobjektes auf der anderen Straßenseite. „Ihre Entwürfe dienen nicht nur dazu, Menschen vor Kälte zu schützen. Jedes einzelne dieser Kleider wurde gemacht, um die Blicke der Menschen auf die Frau zu lenken, die ein solches Kleid trägt. Das ist pure Eitelkeit. Es führt zu Hochmut. Und was ist mit denen, die sich diese teuren Kleider nicht leisten können? Sie werden anfangen, die zu hassen, die über ihnen stehen. Dieses Geschäft schürt nur die Zwietracht in unserer Stadt. “
„Und zu welcher Seite gehöre ich? Bin ich hochmütig oder hasserfüllt?“
J.T. biss fest auf seinen Zahnstocher. Delia hatte sich drohend vor ihm aufgebaut. Ihr Blick warnte ihn, seine Antwort zu überlegen.
„Ich kann mir dieses Kleid leisten. Von meinem eigenen Ersparten“, sagte sie, „also gehöre ich wohl zu denen, die hochmütig sind. Willst du das wirklich über deine Schwester sagen?“
„Natürlich nicht. Bei dir ist das etwas anderes.“
„Ach so. Bei mir ist das etwas anderes? Seltsam, eben hat es sich noch so angehört, als gäbe es für dich nur Schwarz oder Weiß.“
„Delia …“ Sie drehte ihm die Worte im Mund herum.
„Also gibst du zu, dass es für eine Frau wie mich in Ordnung ist, bei Hannah ein Kleid zu kaufen?“
„Ja“, brachte er mühsam und widerwillig heraus, „aber sie sollte verantwortungsvoller mit den Menschen umgehen, die schwächer sind. Ein wahrer Christ würde seinen Mitmenschen keine Steine in den Weg legen.“
„Jericho Riley Tucker! Was gibt dir das Recht, über andere zu urteilen?“ Ihre Lippen verzogen sich angewidert. „Bist du wirklich ein besserer Mensch als andere? Darfst du den ersten Stein werfen? Ein wahrer Christ! Pah! Dann dürfte es auf der Welt keine Banken geben. Raffsucht! Keine Restaurants. Völlerei!“
„Genug! Du hast deine Meinung klargemacht.“ J.T. griff sich an den Kopf und massierte seine Schläfen.
Delia ließ seufzend ihre Arme sinken. „Wenn Hannah in ihrem Geschäft Kleider verkaufen würde, die anzüglich sind und bei Männern unkeusche Gedanken hervorrufen, würde ich dir sofort zustimmen. Aber sie ist eine fleißige, unbescholtene Frau, die sich ihren Lebensunterhalt durch ihre hervorragenden Fähigkeiten verdient. Sie verkauft Kleider, die in den Farben erstrahlen, die Gott uns auf dieser Erde geschenkt hat. Sie tut nichts Verwerfliches.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das, was unsere Mutter uns angetan hat, trübt dein Urteilsvermögen, J.T. Sie war eine selbstsüchtige Frau, die alles Schöne an sich gerafft hat, aber das heißt nicht, dass alle Menschen, die Schönes erschaffen, genauso sind.“
Die Argumente schwirrten wie Hornissen in J.T.s Kopf herum. Was Delia sagte, ergab Sinn, aber er fürchtete, dass ihre Argumente nur seine Überzeugungen auf die Probe stellen sollten. Er wollte glauben, dass Hannah frei von aller Falschheit war. Denn dann hatte er keinen Grund mehr, seine Zuneigung zu ihr zu bekämpfen. Zweifel durchfluteten ihn. Dann fiel ihm der Bibelvers aus dem 1. Petrusbrief ein, dass Schönheit nicht von außen, sondern von innen kommen sollte. Daran klammerte er sich wie an einem Rettungsanker fest.
„Sie fördert zwar nicht die Unzucht, aber sie vertritt eine falsche Vorstellung von
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