Eine Lady nach Maß
ist die Richtige.“
„Wer?“
„Du lächelst nicht. Komisch, dass es mir nicht schon vorher aufgefallen ist.“ Nachdem sie ihm diese Beobachtung mitgeteilt hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit ihrem eigenen Teller zu, als hätte sie alles zu Genüge erklärt.
J.T. hatte keinen Zweifel daran, von wem seine Schwester sprach. Da er ein Gespräch in diese Richtung nicht unterstützen wollte, sagte er das Erstbeste, das ihm in den Sinn kam. „Der Graue ist schon wieder ganz in Ordnung.“
Natürlich schaffte es die Erwähnung des Pferdes nicht im Mindesten, seine Gedanken von Hannah Richards abzulenken.
„Das ist schön.“ Delia biss herzhaft in ihr Hähnchen. Erst jetzt bemerkte J.T., dass ihre Portion viel kleiner war als sonst.
„Geht es dir gut?“
Sie nickte. „Ja.“
Mit einem Schulterzucken zerteilte er seinen Nachtisch. Der Duft von Apfel und Zimt stieg ihm in die Nase. Er hob den Bissen in Richtung Mund, doch ein Blick auf seine grinsende Schwester ließ ihn innehalten.
„Was?“
„Du hast dich heute Morgen ja sehr ausführlich über unseren Sport bei Hannah informiert. Was hältst du von diesen Übungen?“
Statt des Kuchens schluckte er ein Grummeln hinunter und ließ die beladene Gabel wieder sinken. „Ich denke, dass ich in Spott und Schande die Stadt hätte verlassen müssen, wenn mich jemand dabei gesehen hätte. Wenn du und Miss Richards euch zum Gespött machen wollt, ist das eure Sache, aber erwarte nicht, dass ich jemals wieder eins dieser Dinger anfasse.“
„Aber meinst du nicht auch, dass die Übungen helfen?“
Er wollte es nicht zugeben, deshalb grunzte er nur. Im Gegenzug lehnte seine Schwester sich schnell nach vorne, schnappte sich seine Gabel und schob sich den Bissen Kuchen in den Mund.
„He!“ Er nahm ihr seine Gabel ab. „Iss deinen eigenen Kuchen.“
Sie lächelte triumphierend. „Ich wollte nur einen Bissen. Den anderen Kuchen bringe ich gleich Mr Franklin.“
„Du hast dir selbst gar keinen gemacht?“ Das sah ihr gar nicht ähnlich. Delia liebte Süßes.
„Heute nicht.“ Sie stand auf, füllte seine Kaffeetasse nach, wobei J.T. sie genauer betrachtete. Ihr braunes Kleid hing lockerer um ihre Mitte als sonst. Sie hatte Gewicht verloren.
„Bist du sicher, dass du nicht krank bist?“
Delia stellte die Kaffeekanne zurück auf den Ofen und fing an, eine große Portion Essen für Ike in ihren Korb zu räumen. „Es geht mir gut, J.T.“
Er hob seine Kaffeetasse an die Lippen und nippte an dem heißen Gebräu. „Vielleicht solltest du mit all diesen sportlichen Übungen ein bisschen kürzer treten. Du wirst dünn.“
„Meinst du?“ Sie sah bei seinen Worten tatsächlich zufrieden aus.
J.T. starrte sie finster an. „Wenn du dich schlecht fühlst, solltest du dich ausruhen und nicht noch mit körperlichen Übungen überanstrengen.“
„Ehrlich gesagt, bin ich doch überhaupt nur zu Hannah gegangen, weil es mir schlecht ging. Doktor Lewis’ Übungen helfen mir dabei, mich besser zu fühlen. So, wie sie Hannah während ihrer Krankheit geholfen haben.“ Delia räumte seinen Teller ins Spülbecken.
Eigentlich interessierte J.T. sich nicht dafür. Aber aus irgendeinem Grund konnte er sich nicht zurückhalten. „Sie war krank?“
„Ja, als Kind. Hannah hat mir erzählt, dass sie damals fast einmal ertrunken wäre. Daraus hat sich eine Lungenentzündung entwickelt, die ihre Lungen so stark geschwächt hat, dass die Ärzte davon ausgingen, dass sie den Rest ihres Lebens Invalide ist.“
J.T. nahm einen Zahnstocher aus der Hosentasche und versuchte, sich Hannah als bettlägeriges, kleines Mädchen vorzustellen. Das passte so gar nicht zu der Frau, die er heute kannte. Ihm fiel es leichter, sie sich als Wildfang vorzustellen, der über die Wiesen sprang und Schmetterlingen hinterherjagte.
„Heute ist sie ganz offensichtlich kein Invalide.“
Delia lachte und deckte den Essenskorb mit einer Serviette ab. „Nein, sicher nicht. Zum Glück ist ihre Mutter damals auf ein Buch von Doktor Lewis gestoßen, das den Zusammenhang zwischen frischer Luft, Bewegung und der Gesundheit der Lungen beschrieb. Sie fing an, die Übungen mit ihrer Tochter zu machen, bis es ihr immer besser ging. Hannah hat diese Gymnastik nie wieder aufgegeben.“
„Ich muss rüber“, murmelte J.T. Er wollte am liebsten fliehen, um der Unterhaltung über Hannah Richards zu entkommen. Das Letzte, was er brauchen konnte, war noch etwas, wofür er diese Frau bewundern musste. Viele
Weitere Kostenlose Bücher