Eine Lady nach Maß
Schönheit, die andere in die Irre führen könnte.“
„Ist das alles, was du sehen kannst? Erkennst du denn nicht das Gute, das sie schon in der kurzen Zeit, die sie hier ist, erreicht hat?“ Delia trat nah an ihn heran und berührte seinen Arm. Er zuckte zusammen und wich zurück.
„Verstehst du nicht, was es bedeutet, dass sie Tessa James beibringt, wie man näht? Sie verhilft dem Mädchen gleichzeitig zu vernünftiger Kleidung und einer gesicherten Zukunft. Siehst du nicht die Freundschaft zwischen mir und ihr, die mich zu einem glücklicheren, zufriedeneren Menschen gemacht hat?“ Seine Schwester stand jetzt so dicht vor ihm, dass J.T. gegen den Drang ankämpfen musste, wegzulaufen wie ein kleiner Junge.
„Ich hatte immer Probleme, mich jemandem zu öffnen. Zwischen dem Skandal mit unserer Mutter und meiner Schüchternheit war ich wie gefangen. Ich hatte nie Freunde. Doch gleich am ersten Tag, als ich Hannah die Milch gebracht habe, freundeten wir uns an und halfen uns gegenseitig.“
J.T. blickte finster drein. Als junger Mann war er so sehr damit beschäftigt gewesen, ihr ein Heim zu schaffen, dass er sich nie darum gekümmert hatte, mit wem sie ihre Zeit verbrachte und ob sie überhaupt Freunde hatte. War sie die ganzen Jahre über so einsam gewesen?
„Und was ist mit Mr Culpepper?“, fuhr Delia fort. „Wie viele Monate haben die Menschen von Coventry, du und ich eingeschlossen, ihn in seiner Trauer allein gelassen? Und Hannah ist nicht einmal eine Woche da und hat nicht nur Kontakte zu ihm geknüpft, sondern ihn sogar wieder der Kirche näher gebracht. Wenn eine Schneiderin auf dieser Welt Gutes tun kann, dann ist es Hannah Richards. Sie hat schon lange damit angefangen!“
Der Rettungsanker entglitt ihm und er wusste nicht, wie er sich wieder daran klammern konnte. Die Wahrheit in den Worten seiner Schwester zog ihn in eine Richtung, in die er nicht gehen wollte. Warum konnte er nicht einfach an dem festhalten, was Gott seiner Meinung nach von den Menschen verlangte? In den vergangenen Jahren hatte ihn diese Überzeugung doch getragen. Aber Hannah wirbelte unbekümmert das Wasser seines klaren Gedankenteiches auf. Sie passte nicht in sein einfaches Bild von Schwarz und Weiß.
Verzweifelt fuhr sich J.T. mit einer Hand durch die Haare und ließ sie dann erschöpft sinken. Schnell ergriff Delia die seine mit ihren zarten kleinen Händen und sah ihn liebevoll an.
„Du hast Angst, J.T., Angst, zuzugeben, dass jemand, der die Schönheit schätzt und selbst so schön ist, auch ein guter Mensch sein kann.“ Sie drückte seine Finger und lächelte zu ihm hinauf. „Ich habe heute Morgen bemerkt, wie du Hannah angeschaut hast. Du magst sie sehr gerne, stimmt’s? Entgegen deinen strengen Regeln. Lass unsere Mutter nicht weiterhin dein Leben bestimmen. Nur weil sie dein Herz gebrochen hat, heißt es nicht, dass es bei Hannah auch so sein wird. Äußere Schönheit, die sich im Herzen widerspiegelt, ist keine Sünde.“
Unwillkürlich kam ihm ein Vers in den Sinn, den er Delia immer und immer wieder vorgelesen hatte, als sie noch klein war. „Anmut kann täuschen, und Schönheit vergeht wie der Wind – doch wenn eine Frau Gott gehorcht, verdient sie Lob!“
Seine Schwester schüttelte den Kopf, als ihr Lächeln verschwand. „Niemand behauptet, dass eine Frau ihre Schönheit nicht der Ehrfurcht vor Gott unterordnen sollte. Vielleicht solltest du dir dieses Kapitel noch einmal genau durchlesen. Sieh dir die Frau an, um die es dort geht. Es geht um eine tüchtige Frau, die den Wert aller Juwelen übertrifft. Eine Frau, die sich und andere kleidet. Die Stoffe webt und sie den Händlern verkauft. Die man für die Arbeit und Mühe ihrer fleißigen Hände rühmen soll.“ Sie atmete tief durch. „J.T., ich bitte dich, denk noch einmal genau über deine festgelegte Meinung nach. Dann sollten wir weitersprechen.“
Kapitel 19
J. T. ging mit schwerfälligen Schritten und einer Bibel unter dem Arm zurück zum Stall. Er hatte sich selbst nie als Feigling gesehen, aber am liebsten hätte er seinen Streit mit Delia verdrängt und ihre Aufforderung einfach überhört. Was, wenn er wirklich seine Einstellung zum Wort Gottes ändern musste? Wenn er seine Überzeugungen, seinen Glauben überdenken musste? Würde er das schaffen? Für so lange Zeit hatte er sich an seinem Standpunkt festgeklammert. Sich davon leiten und formen lassen. Wenn das jetzt alles falsch gewesen sein sollte …
Tom winkte ihm zu, als er
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