Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
wenigen Habseligkeiten getragen und ihr ermunternd zugeredet. Vielleicht hatte er das Gefühl gehabt, sie könnte das gebrauchen.
Nun saß Bella auf einem Schemel vor dem Kamin, und die Wärme ließ ihr Gesicht ekstatisch leuchten. Sie hatte noch nichts zu der Diskussion über die Haushaltsaufgaben beigetragen, aber sie stimmte Marians Verteilung nickend zu.
»Wir beide sollten bald nach oben gehen«, sagte Marian zu ihr. »Da ist ein ziemlich großes Zimmer, das wir uns teilen können. Es liegt am Ende des Ganges gegenüber dem Zimmer, in dem der Herr schläft.«
Marian war überrascht gewesen, als sie erfahren hatte, dass Mr Albrighton ebenfalls hier wohnte. Marian, die Männern im Allgemeinen kein großes Vertrauen schenkte, würde nun vermutlich die Rolle der Anstandsdame übernehmen.
»Bevor du dich zurückziehst, würde ich gerne noch über ein paar Hausregeln sprechen«, sagte Celia. »Ihr werdet sie vielleicht ein wenig seltsam finden, aber meiner Erfahrung nach sorgen sie für ein friedliches Zusammenleben unter Frauen. Es sind die gleichen Regeln, nach denen wir bei Daphne gelebt haben.«
Marian nickte. »Wenn Mrs Joyes nach ihnen lebt, werden sie für uns ebenfalls angemessen sein.«
»Die erste Regel lautet, dass wir unsere Nase nicht in die Vergangenheit und das Leben der anderen stecken. Das bedeutet, Bella, wenn du mir niemals etwas von deiner Familie oder warum du allein hier gestrandet bist, erzählen willst, werde ich dich auch nie danach fragen.«
Bella schien über das Recht, diese Dinge für sich zu behalten, überrascht zu sein.
»Jede von uns wird, so gut sie kann, etwas zu diesem Haushalt beitragen. Indem ihr angeboten habt, Haushaltspflichten zu übernehmen, habt ihr das bereits getan. Und wenn wir das Haus verlassen und vorhaben, länger als gewöhnlich fortzubleiben, werden wir die anderen informieren, damit sich niemand Sorgen macht.«
»Das klingt vernünftig«, sagte Marian.
»Als unabhängige Frauen müssen wir einander beschützen und lernen, uns selbst zu schützen«, erklärte Celia einen weiteren wichtigen Grundsatz, nach dem sie fünf Jahre lang mit Daphne gelebt hatte.
»Kein Problem. Ich bin sehr geübt darin, mich zu verteidigen, und Bella habe ich auch schon ein-, zweimal verteidigen müssen. Stimmt doch, Bella, oder?«
»Dann sind wir uns über die Grundregeln einig«, sagte Celia. »Es gibt noch ein paar andere, die weniger wichtig sind. Diese werde ich später erklären.«
Marian erhob sich. »Dann bereite ich uns mal heißes Wasser zum Baden vor. So können wir uns am besten von der Vergangenheit reinwaschen, bevor wir morgen früh unser Leben neu beginnen.«
»Ja, das wäre gut«, sagte Bella. Es war ihr erster Beitrag zur Unterhaltung. Celia hoffte, dass Bella nun ihre Angst überwunden hatte.
Bella wollte Marian zur Tür folgen, hielt dann aber plötzlich inne. Sie eilte zurück, ergriff Celias Hand und hob sie an die Lippen. Sie schloss die Augen, während sie einen Kuss auf Celias Hand presste. Dann eilte sie hinter Marian die Treppe hinauf.
Die Geräusche aus der Küche wurden schließlich abgelöst von Gekicher und Schritten auf der Hintertreppe. In der Bibliothek legte Celia ihr Buch beiseite und lauschte darauf, wie Marian und Bella den Dachbodenflur zu der Kammer entlanggingen, die sie sich teilen würden.
Neben ihrem Zimmer und dem von Mr Albrighton gab es noch andere Räume dort oben. Einer wurde als Lagerraum benutzt. Celia hatte einen Blick hineingeworfen, als sie Marian die verschiedenen Zimmer zur Auswahl gezeigt hatte. Sie hatte ihren Schlüssel einsetzen müssen, um hineinzukommen, und in der Dunkelheit bemerkt, dass nur eine alte Truhe darin stand.
Morgen oder übermorgen würde sie endlich hinaufgehen und nachsehen, was ihre Mutter in dieser Kammer zurückgelassen hatte. Vielleicht fand sich ja dort ein Hinweis auf die Identität ihres Vaters.
Es war ein anstrengender Tag und ein langer Abend gewesen, und Celia wusste, dass sie ebenfalls ins Bett gehen sollte. Mr Albrighton war noch nicht wieder da, doch er würde darauf achten, alle Türen zu verschließen, wenn er zurückkam.
Aber die Ereignisse des Tages ließen Celia zunächst keinen Schlaf finden. Das Haus, das in den letzten Tagen nahezu leer gewesen war, fühlte sich nun mit seinen neuen Bewohnerinnen fast zu voll an. Sie nahm ihren Mantel vom Haken, wickelte sich gut darin ein und verließ das Haus, um ein wenig im nächtlichen Garten spazieren zu gehen.
Sie schlenderte zu
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